Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
übertreibst«, protestiere ich.
»Doch, doch«, antwortet Isa. »In dem Jahr nach Gustavs Geburt hat die ganze Familie zu Weihnachten selbstgemachte Handyhüllen aus Filz von mir bekommen, auf die ich sogar mit neonfarbenem Garn Sprüche und Muster gestickt hatte.«
Die Phase der Gemütlichkeit endete erst, als Klein-Gustav krabbeln lernte und mit seiner neuen Mobilität gemütlichen Cafébesuchen den Garaus machte.
»Und dir war langweilig«, hakte ich ein.
»Ja, natürlich war mir langweilig. Und mir war klar, dass ich nach knapp einem Jahr Elternzeit ins Berufsleben zurückkehren wollte.«
Nun war die kleine Agentur, in der sie bis zu Gustavs Geburt gearbeitet hatte, gerade pleitegegangen. Jetzt hieß es, sich neu zu bewerben.
Und zu bewerben. Und zu bewerben.
»Nach einem Dutzend Bewerbungen ohne Antwort nahm ich irgendwann das Kind aus dem Lebenslauf. Dann wurde ich ziemlich schnell eingeladen«, erinnert sich Isa.
Das Kind als Hindernis im Vorstellungsgespräch? Bevor ich mit Isa gesprochen hatte, empfand ich das als veraltetes Klischee. »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich mir alles anhören musste«, erzählt mir Isa, als wir endlich in eines dieser gemütlichen Dunkelholzcafés am Kollwitzplatz auf ein Stück Milchreistorte einkehrten.
»Da war ein Typ im Vorstellungsgespräch, der meinte ›Ja, ja. Ihr Mädchen aus dem Osten denkt, ihr kriegt dasmit Kind und Arbeiten hin.‹ Oder noch schlimmer: ›Aber Sie müssen doch nicht viel verdienen. Sie sind doch verheiratet.‹«
Isa schüttelt den Kopf. »So jemandem willst du doch nicht als Chef haben.«
Nach ein paar Wochen Spießrutenlauf, auch Vorstellungsgespräche genannt, machte die spätere Hauptstadtmutti dem Drama ein Ende und beschloss, in die Selbständigkeit zu gehen und mit zwei Freundinnen hauptstadtmutti.de ins Leben zu rufen.
Die Idee zu diesem Mama-Internetportal hatte Isa gleich zu Beginn ihrer Elternzeit. »Während der langen Nachmittage, die ich mit einer Hand am Kinderwagen in den Cafés in Berlin-Mitte verbracht habe, hatte ich natürlich viel Gelegenheit, Leute zu beobachten. Aufgefallen sind mir diese wahnsinnig uniformierten Muttis, die in den Jack-Wolfskin-Funktionsjacken und Jogginghosen. Doch dann gibt es auch die, die sich ein bisschen Mühe geben und wahnsinnig stylish sind. Plötzlich schiebt eine ihren Kinderwagen in High-heels und Vintage-Jacke an dir vorbei, und du denkst nur: Wow! Was macht die wohl so im Leben? Was denkt die über dies und das? Und woher hat die überhaupt diese Schuhe? Mit hauptstadtmutti.de wollen wir genau diese Mamis porträtieren.«
Ob die Klamotten teuer oder billig waren, ist Isa und ihren Mitstreiterinnen egal. »Hauptsache, die Frauen haben ihren eigenen Stil«, betont sie.
»Isa«, traue ich mich dann endlich zu fragen, obwohl ich als die, die gerade ein graues T-Shirt mit Riss im Ärmel trägt, glaube, die Antwort zu kennen. »Bin ich auch eine Hauptstadtmutti?«
Isa lächelt, und ich bin auf alles gefasst. »Ja, Caro. Also, manchmal. Weißt du noch, als du neulich diese braunen Cowboystiefel anhattest? Da warst du eine.«
Ich nicke zufrieden. Letztendlich ist Isa ihr Projekt angegangen wie viele andere Selfmade-Moms: Sie hatte eine Idee, die es noch nicht gab. Der Rest ist Internetrecherche.
»Wir haben das Thema natürlich intensiv gegoogelt, waren auf vielen Styleblogs und haben viel recherchiert. Am Ende haben wir herausgefunden, dass es weltweit noch keinen Modeblog für Mütter gibt, und dachten: Das ist es!«
Und so begannen die langen Abende zu dritt. Wenn die Kinder im Bett waren, saß Isa mit ihren zwei Mädels zusammen und diskutierte darüber, welche Slogans greifen, wer die Fotos macht, wer die Texte schreibt.
»Bei uns war es so, dass ich viel Erfahrung im Erstellen von Onlineseiten hatte. Grundsätzlich kann sich heutzutage aber jeder einfach bei Blogspot oder Wordpress anmelden, wo alles Technische wie die Serversuche für einen erledigt wird.«
Isas Mitstreiterinnen, eine Grafikdesignerin und eine Modedesignerin, brachten den Rest des Know-hows mit, um die Seite so zu gestalten, wie es Thema und Zielgruppe angemessen ist. »Hätten wir das nicht zufällig so gut unter uns aufteilen können, hätten wir die Expertise aus dem Freundeskreis dazu holen müssen. Geld oder Startkapital hatten wir damals ohnehin nicht. Bis heute geben wir nur das Geld aus, das wir durch Anzeigen und Events, die wir manchmal für Firmen als Hauptstadtmuttis organisieren,
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