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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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Norden des heutigen Kenia war dadurch noch abgeschotteter, und wir Samburus konnten so unsere Kultur mehr als andere Kenianer bewahren.
    Während im Süden des heutigen Kenia, im fruchtbaren »Weißen Hochland«, den sogenannten White Highlands, ein unerbittlicher Kampf um Land wütete und die Briten riesige Tee- und Kaffeefarmen anlegten, war unser Land aufgrund seiner Kargheit ein Randgebiet. Dennoch war auch hier das britische Regime spürbar. Immer wieder übten Kolonialbeamte großen Druck aus, erzählte mein Vater. Sie wollten, dass die unterschiedlichen Stämme in ihre Stammesgebiete zurückkehrten, um zu verhindern, dass die »Afrikaner« sich gegen die Kolonialherren zusammentaten. Mein Vater hielt dagegen. Er schaffte es, die Feindschaft zwischen den Turkana, einem Stamm aus dem Norden Kenias, und den Samburu beizulegen. Er erlaubte den Turkana, in unseren Stammesgebieten zu leben. Dafür verehren sie meinen Vater heute noch.
Neben den Briten waren noch andere Mzungus in Wamba aufgetaucht: italienische Missionare. Sie besuchten die Menschen in den Manyattas und kamen auch zu uns nach Hause. Anfangs hatten die Erwachsenen Angst vor den Fremden und begegneten ihnen mit großem Misstrauen. »Was wollen die von uns?«, fragten sich viele Samburus. Ich selbst weinte, als ich das erste Mal Menschen mit weißer Hautfarbe sah. Sie sahen merkwürdig aus, als kämen sie von einem anderen Stern. Doch sie lernten etwas Samburu und die kenianische Landessprache Suaheli, um sich mit uns unterhalten zu können. Schließlich kamen sie immer öfter abends zu uns und setzten sich zu den Älteren ans Feuer.
    Sie hielten uns für Heiden und wollten unseren Glauben verstehen, hieß es. Mein Vater erklärte ihnen, dass wir uns beim Beten unserem Gott Ngai zuwenden und zum heiligen Mount Ngiro oder Mount Kenya ausrichten, so wie sich die Moslems beim Beten nach Mekka verbeugen. »Darüber hinaus lebt Ngai, der Gott der Samburus, in allen mächtigen Bergen, in großen Bäumen und in Wasserquellen«, fügte mein Vater hinzu. »Er hat uns alle geschaffen.« Nachdem sich die Missionare die Erklärungen meines Vaters ganz genau angehört hatten, nickten sie und meinten, Ngai sei eigentlich wie der Gott der Christen, ein allwissender Gott, der alles geschaffen habe.
    Ich lernte in diesen Gesprächen am Feuer viel über meine eigene Kultur und verstand, dass es da draußen Menschen gab, die nach ganz anderen Gesetzen lebten. Anfangs waren meine Eltern misstrauisch und glaubten, dass die Missionare uns verabscheuten, doch mit der Zeit begannen sie, sonntags in die Messe zu gehen, zunächst aus Neugierde, dann wurden die Gottesdienste in der katholischen Kirche von Wamba zum wöchentlichen Treffpunkt für die Menschen aus dem Umkreis. Als sich herumsprach, dass sich die Missionare um die Kranken und Gebrechlichen kümmerten, trauten sich immer mehr Samburus in die Kirche.

    Mit neun Jahren wurde ich in die katholische Grundschule in Wamba eingeschult. Zwar gab es kein richtiges Schulgebäude, aber die Missionare und Nonnen unterrichteten uns unter einer knorrigen Schirmakazie. Wir sangen die meiste Zeit religiöse Gospel, Lieder über die kenianische Unabhängigkeit und sie brachten uns singend das Alphabet bei. So lernte ich zusammen mit den Jungen lesen, schreiben und rechnen, aber leider auch nicht viel mehr als das. Für uns Kinder war es wie ein Spiel. Wir freuten uns, unsere Freunde zu treffen. Weder meine Eltern noch ich begriffen, wie wichtig eine Schulausbildung war. Sie legten größeren Wert darauf, dass wir als Kinder von Nomaden das Vieh hüten und Hütten bauen konnten. Manchmal schickte mich meine Mutter los, Feuerholz zu sammeln, wenn ich eigentlich Unterricht gehabt hätte. Meine Mutter brauchte meine Hilfe. Mein Vater war gestorben und ohne ihn war das Leben schwer für sie.
    Ich war untröstlich, als er starb, obwohl der Tod in unserer Kultur der Übergang in eine andere Welt ist, in der unsere Ahnen leben. Der Tod ist Teil des Lebens. Als angesehener Chief wurde er als erster Samburu in Wamba in einem Sarg beigesetzt. Früher hätte man den Leichnam in den Bergen auf die Erde gelegt und sein Gesicht zum heiligen Ol Doinyo Lengeyo gerichtet. Nach alter Samburu-Sitte wird der Ort, an dem man einem Leichnam bestattet, von den Menschen nur eine Zeit lang in Erinnerung gehalten, sie stellen kein Kreuz auf und markieren diesen Ort auch nicht. Jeder, der vorbeikommt, wirft dort einen Zweig ab. Nach und nach verblasst dann die

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