Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
Vom Netzwerk:
also die Frauen fest, obwohl ich ohnehin kaum noch Kraft hatte, mich zu wehren. Der Schmerz war so ungeheuerlich, dass ich wieder ohnmächtig wurde.
    Ich erwachte im katholischen Krankenhaus von Wamba auf einer Pritsche und hing am Tropf. Meine Mutter schaute mich besorgt an, erleichtert, dass ich die Augen geöffnet hatte. Verwundert schaute ich auf die Schläuche an meinen Handgelenken und den Plastiksack, aus dem die Flüssigkeit heruntertropfte. »Die Medizin wird dich aufpäppeln«, erklärte mir meine Mutter und streichelte sanft mein Gesicht. Die Ärzte haben um dein Leben gerungen«, meinte sie traurig. Aber nun werde alles wieder gut, versprach sie. Sie hatte mich in die Krankenstation bringen lassen, als die Blutungen nicht aufhörten. Tagelang hatte ich mich im Dämmerzustand zwischen den Welten auf meiner Matratze gewälzt. Meine Mutter machte sich ernsthafte Sorgen und Vorwürfe. Sie wich nicht von meiner Seite und versuchte mich mit Anekdoten aus meiner Kindheit aufzumuntern. Zu Hause flößte sie mir dann noch wochenlang ein Gemisch aus Milch und Rinderblut ein, den Krafttrank der Nomaden, damit ich wieder zu Kräften kam.
    Zwar war ich jetzt eine »richtige Frau« und hätte allen Grund gehabt stolz zu sein, doch ich fühlte mich noch eine Zeit lang niedergeschlagen. Es dauerte lange, bis die Schmerzen endlich nachließen. Ich dachte schon, ich würde nie wieder schmerzfrei laufen können. Doch meine Mutter versicherte mir, dass ich schon bald wieder tanzen würde. »Du bist jetzt eine Frau, eine von Gott Geschorene«, meinte sie und legte mir meinen Perlenschmuck als Ermutigung um. Jedes Jahr von dem Tag meiner Geburt an hatte ich einen Halsreifen, einen sogenannten Sayen, geschenkt bekommen, bis die vielen Reifen schwer auf meinen Schultern lagen. Wenn sie bis zum Kinn reichen, ist die Zeit gekommen zu heiraten, hatte mir meine Mutter einst erklärt. »Erst im Alter nimmt die Anzahl deiner Sayen wieder ab«, hatte sie gesagt, »da du sie im Laufe deines Lebens
an jüngere Frauen verschenken sollst.« Ich habe meine Sayen später den Töchtern meiner Verwandten und Mädchen überreicht, die mit ihren Müttern in Umoja lebten. Ich wollte ihnen etwas von meiner Kraft geben und sie dazu ermuntern, ihren eigenen Weg zu gehen. So ist über die Jahre und Jahrzehnte ein Band der Solidarität unter uns Samburu-Frauen entstanden.
    Als junges Mädchen war ich jedenfalls stolz auf meinen Perlenschmuck. Meine Kollektion sah wunderschön aus, auch wenn sie gewissermaßen Sinnbild für das schwere Los der Samburu-Frauen war. An meinen Unterarmen glänzten breite Armreifen. Beim Tanzen wippten die immer größer werdenden Drahtringe mit unzähligen Perlen von meinem Hals bis zu den Oberarmen im Takt und da ich besonders gerne tanzte und sang, zog ich immer viele Blicke auf mich, vor allem auch die der jungen Morani. Es gab einige, die sich in mich verliebten. Es heißt, ich sei eine Schönheit gewesen, doch lange Zeit traute sich keiner der jungen Männer an mich heran. Keiner wagte es, um meine Hand anzuhalten. Obwohl ich wohl eines der beliebtesten und klügsten Mädchen im Dorf war, hat es lange gedauert, bis die ersten Männer ernsthaft an meine Familie herantraten. Es hatte sich herumgesprochen, dass ich eigensinnig und vorlaut war und meinen eigenen Weg ging. Ich glaube, sie hatten großen Respekt vor mir und sahen mich als die unberechenbare Tochter des großen Chief Lasangurikuri. Wahrscheinlich war ich ihnen zu selbstbewusst. Der erste Anwärter, der bei meiner Familie vorsprach, war ein alter Mann, einer der sogenannten Apayas, der Dorfältesten. Ich glaube, meine Mutter sah das Entsetzen in meinem Gesicht und die Tränen in meinen Augen und verhinderte eine Heirat mit diesem Mann. Aber uns war beiden klar, dass unsere gemeinsame Zeit bald zu Ende sein würde. Über kurz oder lang würde ich heiraten, so viel stand fest.

ZU AUFMÜPFIG FÜR DAS EHELEBEN
    Mit der Zeit waren in unserem kleinen Städtchen Wamba die ersten bunten Verkaufsbuden, die sogenannten Dukas, entstanden. Hinter ihnen ragte der Ol Doinyo Lengeyo jäh in den Himmel empor. Vor ihnen lehnten meist ein paar junge Samburus lässig auf ihren Speeren und unterhielten sich angeregt. Auch wenn sie kein Geld hatten, um sich etwas in den Dukas zu kaufen, verbrachten sie viel Zeit hier, prahlten über ihr Vieh, rückten ihren aufwendigen Kopfschmuck zurecht und blickten zu den Frauen herüber, während sie sich in Pose stellten. Sie wollten uns

Weitere Kostenlose Bücher