Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
Frauen imponieren. Manchmal stimmte einer der jungen Morani sogar auf seiner Flöte ein Lied an und schloss verträumt seine Augen. Schnell wurden die Dukas zum Treffpunkt in unserem verschlafenen Dörfchen. Ich freute mich jedes Mal, wenn ich mit ein paar Münzen herrlich duftenden Tee und etwas Zucker für mich und meine Mutter kaufen konnte, denn meistens traf ich dort eine meiner Freundinnen und wir tauschten uns aus. Man erfuhr dort immer irgendeine interessante Neuigkeit.
Eines Tages machte die Nachricht die Runde, die mein ganzes Leben verändern sollte. Sie traf mich wie ein Blitz. Meine Brüder und der Ältestenrat von Wamba hätten für mich einen Ehemann auserkoren, hieß es an einer der Dukas mitten im Dorf. Da die alten Männer von Wamba bei den Verhandlungen dabei gewesen waren, verbreitete sich die Nachricht wie
ein Lauffeuer. Zusammen mit meinen Brüdern hatten sie mich mit einem zwölf Jahre älteren Mann verkuppelt. Das ist bei uns reine Männersache. Der Familienrat war sich mit einem Mann aus Archer’s Post handelseinig geworden. Wie ich hörte, war er auf die Schule der katholischen Mission in Archer’s Post gegangen und unterrichtete an unserer Dorfschule, stammte aber aus dem südlicher gelegenen Archer’s Post. Es verschlug mir die Sprache. Ich hatte ihn noch nie zuvor in meinem Leben gesehen, doch das war so üblich in unserer Kultur. Junge Mädchen werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Mir war unwohl bei dem Gedanken, dass es nun kein Zurück mehr gab. Tagelang konnte ich an nichts anderes denken.
Im Dorf wurde über nichts anderes mehr geredet. Die Aufregung war groß, meine Ehe war zum Stadtgespräch geworden. Schließlich war ich achtzehn Jahre alt und es wurde höchste Zeit zu heiraten. Erwachsene Frauen, die bei ihren Familien bleiben, werden in unserer Kultur belächelt. Endlich kam ich also unter die Haube, hieß es: der Widerspenstigen Zähmung. Nach gründlicher Suche habe sich ein Löwenbändiger gefunden, erklärten die Freundinnen meiner Mutter lachend. Die Hütte meiner Mutter war für Frauen aus der ganzen Umgebung eine Anlaufstelle, wenn sie Hilfe brauchten, und so verbreitete sich die Nachricht von meiner bevorstehenden Hochzeit auch im Umland von Wamba. Schließlich stammte ich aus einer großen Familie, die über den gesamten Samburu-Distrikt verteilt lebte, und war als Tochter eines Samburu-Chiefs eine gute Partie.
Schon jetzt stand fest, dass Hunderte von Menschen aus unserem weitverzweigten Clan kommen würden. Nach alter Samburu-Sitte ist jeder im Umkreis auf einer Hochzeitsfeier willkommen, auch wenn er nicht ausdrücklich eingeladen worden ist. Eine Hochzeit ist für uns Samburus ein ganz besonderes Fest. Die Vorbereitungen beginnen Wochen vorher, und so war es auch bei meiner Hochzeit.
Ich versuchte, so viel wie möglich über meinen zukünftigen Ehemann herauszufinden. Er sei in Archer’s Post in eine Missionarsschule gegangen, in ein richtiges Schulgebäude an der großen Staubstraße nach Nairobi, erzählten die Leute in Wamba. Er sei dort am Rande der großen Samburu-Region aufgewachsen, weniger behütet als ich in der Abgeschiedenheit von Wamba. In Archer’s Post gingen täglich Fremde ein und aus, Menschen aus allen Teilen Kenias legten dort einen Zwischenstopp ein auf ihrem Weg von der Küste oder aus der Hauptstadt in den unwirtlichen Norden Kenias, nach Somalia oder Äthiopien. Sie tankten in Archer’s Post oder kauften dort Wasser. Die Schilderungen über diese fremde Welt beeindruckten mich zwar, wirkten aber auch bedrohlich auf mich. Die Vorstellung, meinen verträumten Heimatort Wamba am Fuße der mächtigen Gebirgskette Mathew’s Range verlassen zu müssen, war beängstigend, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung, auf die ich mich zumindest ein wenig freute.
Um mir ein klareres Bild zu verschaffen, fragte ich meine älteren Brüder aus. »Archer’s«, wie sie es nannten, sei das Tor zum modernen Kenia am südlichen Rand des großen Samburu-Distrikts, erklärten sie mir. Es war der frühere Stützpunkt britischer Kolonialbeamter. Das Leben dort sei hektischer als im beschaulichen Wamba, wo die Männer täglich unter einer knorrigen alten Akazie im alten Dorfkern saßen. Archer’s Post läge an einer Durchfahrtsstraße, erzählten sie. Dort gebe es Bars und kleine Hotels, Hotelis auf Suaheli. Touristen und Ranger würden hier haltmachen, Kiosken vorbeistromern und sich mit Getränkedosen eindecken, bevor sie in den benachbarten
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