Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
Stimmung unter den Frauen verantwortlich. Denn durch unser Vorbild ermutigt, lehnten sich einige Frauen nun zum ersten Mal gegen ihre Männer auf und gaben Widerworte, wenn ihre Männer sie schlagen wollten. Das erweckte den Unmut der Männer. Ich wurde zunehmend zur Zielscheibe ihrer Wut. Vor allem mein Schwiegervater nahm jede Möglichkeit wahr, unsere Nachbarn und seinen Sohn gegen mich aufzuhetzen. Der Laden sei eine Brutstätte subversiver Aktivitäten, wetterte er. Ich respektiere die alte Ordnung der Samburus nicht mehr und erhebe mich über sie, stichelte er.
Eines Tages kam ich am späten Nachmittag nach Hause. Meine Kinder brauchten unbedingt saubere Wäsche, also war ich zum Waschen zum Uwaso-Fluss gegangen. Zwischen den
riesigen Palmen, die sich stolz in den Himmel reckten, fühlte ich mich plötzlich das erste Mal seit Wochen sorgenfrei und an meine Kindheit erinnert. Gut gelaunt schwatzte ich mit ein paar Frauen aus Archer’s Post endlich einmal nicht über Raubüberfälle und verstoßene Frauen, sondern über die Zukunft unserer Kinder. Wir waren sicher, dass sie einmal ein ganz anderes, aufgeklärtes Leben führen würden. Endlich ein unbeschwerter Moment. Wie früher verharrte ich einen Augenblick und schaute noch einmal zur Sonne, die nun langsam als dicker roter Ball hinter dem Bergmassiv versank. Singend schritt ich mit meiner nassen Wäsche auf dem Kopf erhobenen Hauptes über den Sandweg nach Hause.
Ich sah schon von Weitem, dass mein Schwiegervater auf unserer Holzveranda auf mich wartete. Er war außer sich vor Empörung. »Warum hast du nichts für uns gekocht?«, giftete er mich an. Ohne eine Antwort abzuwarten drohte er mir mit seinem Rungu. »Wie kannst du es wagen, deine Familie so zu vernachlässigen? Du treibst dich mit deinen Frauen herum und vergisst darüber deine Familie.« Es folgte eine lange Litanei an Vorwürfen. Ich hatte längst gelernt, dass es sinnlos war, dagegen anzugehen. Er hätte mir ohnehin nicht zugehört. Also ging ich ins Haus und machte in aller Seelenruhe im Hinterhof ein Feuer, kochte Ugali – Maisbrei – und grillte etwas Ziegenfleisch. Heute musste ich nicht nur meine Schwiegereltern bewirten, die schon seit Jahren fast täglich bei uns aßen, sondern auch noch die Schwestern meines Mannes, die zu Besuch gekommen waren. Mein Mann war wie so oft in letzter Zeit schlecht gelaunt. Es war ihm peinlich, sich die Vorhaltungen seines Vaters anhören zu müssen. »Warum hast du nur so eine Frau geheiratet? Nichts als Ärger und böses Blut hat sie unserer Familie beschert«, lamentierte der Alte so laut, dass ich draußen an der Feuerstelle jedes Wort verstand. Er legte es offensichtlich darauf an, mich zu provozieren. Doch ich versuchte mich nicht aus der Reserve locken zu lassen.
Als meine beiden Schwägerinnen dann aber auch noch meine Kleider durchstöberten und einige meiner schönsten Tücher einsteckten, während ich noch mit der Vorbereitung des Essens beschäftigt war, platzte mir der Kragen. »Ihr wagt es, euch von mir verköstigen zu lassen und mich dann auch noch zu bestehlen?« Mein Schwiegervater verstummte augenblicklich. Entrüstet starrte er mich an. In seinen Augen war meine Anschuldigung ungeheuerlich. Nach alter Samburu-Sitte hatte ich durch meine Heirat jeglichen Anspruch auf meinen Besitz verloren. Ich war ein Teil der Lolosolis geworden und alles in diesem Haus gehörte der Familie. Meine Schwägerinnen hatten also einen Anspruch auf meine Sachen. Nach altem Samburu-Brauch stand es ihnen zu, sich an meinem Eigentum zu bedienen. Dass ich es wagte, sie zu kritisieren, und versuchte, sie daran zu hindern, war skandalös.
Es folgte ein Sturm der Entrüstung. Ich sei egozentrisch und bilde mir ein, etwas Besseres als die Lolosolis zu sein, warfen sie mir vor. »Wir werden dich in deine Schranken weisen, wenn unser Sohn es nicht tut«, drohte mir der Alte und verließ aufgebracht mit den anderen das Haus. Wortlos stand mein Mann vor mir, holte aus und bevor ich mich wegducken konnte, gab er mir eine Ohrfeige, die mich fast umhaute. Ich begriff, dass er nun auch auf der Seite meiner Schwiegereltern stand. Er dachte überhaupt nicht daran, für mich Partei zu ergreifen. Unsere Familienfehde war eskaliert. Mein Mann hatte zum ersten Mal die Hand gegen mich erhoben. Auch wenn wir in den letzten Monaten öfter gestritten hatten, hatte er sich bislang noch zusammengerissen. Ich war schockiert. Wo sollte das nur enden? Ich hoffte inständig, dass sich
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