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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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hinauswachsen.
    Es war schon dunkel, als ich mich von Nagusi verabschiedete. Schweren Herzens ließ ich sie ziehen. Ich musste zu meinen Kindern zurück. Doch bevor sie in der sternklaren Nacht verschwand, lud ich sie ein, mich in meinem Laden zu besuchen. »Dort wirst du Gleichgesinnte kennenlernen, Frauen, die Ähnliches wie du mitgemacht haben.« Nagusi strahlte. »Du hast mir heute mit deiner Rede viel Kraft gegeben. Manchmal dachte ich schon, ich sei am Ende. Jetzt weiß ich, dass ich die Hoffnung nicht aufgeben darf. Solange es Frauen wie dich gibt, ist unsere Situation nicht aussichtslos. Mit jemandem wie dir sind wir stark«, fuhr sie fort. »Wenn du redest, hören die Männer wenigstens zu. Auch wenn sie fluchen und gegen dich wettern, sie haben Respekt vor dir und vielleicht auch etwas Angst.« Ich war selig. Ihre Worte bauten mich auf. Endlich bekam ich Anerkennung für das, was ich machte.
    Ich fühlte mich stark wie kaum jemals zuvor, als ich in jener Nacht nach Hause ging. Dort empfing mich mein Mann mit bösen Blicken. Er war betrunken. Auf dem Fest hatte er sich zunächst die Tiraden seines Vaters anhören müssen und dann noch stundenlang mit den Dorfältesten diskutiert. Dabei hatte er viel Alkohol getrunken. Ich hatte gleich am Anfang unserer Ehe feststellen müssen, dass er dem Alkohol nicht abgeneigt war, doch mit den Jahren wurde das Problem immer schlimmer. Aufgestachelt von den anderen und wohl von seinem Vater unter Druck gesetzt, drohte er mir Schläge an, wenn ich
seiner Familie nicht endlich mehr Respekt zeige. Das waren genau die Worte und der Tonfall seines Vaters. Zum ersten Mal prallte sein Gezeter an mir ab. Ich war erleichtert, als er auf seinem Sessel einschlief.
    Am nächsten Morgen stand ich schon früh voller Tatendrang in meinem Laden. Mir kam es so vor, als hätte ein neues Leben begonnen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die meisten meiner Kundinnen hatten meine Rede gehört und fühlten sich erleichtert, dass sich endlich jemand für sie starkmachte. Dann am Nachmittag stand sie plötztlich in meinem Laden: Nagusi, die Frau mit dem stolzen Blick. Wir setzten uns unter die Dorfakazie und ich stellte den anderen Frauen meine neue Mitstreiterin vor. Endlich hatte ich eine Seelenverwandte gefunden und wir regten uns gleich gemeinsam darüber auf, dass wieder einmal ein Mädchen an einen alten Mann zwangsverheiratet werden sollte »Sie zerstören ihr Leben. Wir müssen das verhindern«, meinte Nagusi und erzählte uns ihre eigene Geschichte. Mit dreizehn war sie an ihren Mann verheiratet worden, der vierzig Jahre älter war. Im Laufe dieser Ehe hatte sie viel Prügel einstecken müssen und immer nur gearbeitet, wie viele dieser jungen Mädchen. Ihr Mann hatte sie obendrein ständig beschimpft und war nie zufrieden mit ihr gewesen. »Sie haben nicht das Recht, uns zu schlagen«, meinte Nagusi. »Es ist ein Verbrechen an uns Frauen. Wir machen all die Arbeit und dann schlagen sie uns auch noch. Wir müssen uns gemeinsam dagegen wehren.«
    Einmal mehr gelobten wir Frauen an diesem Nachmittag, einander zu helfen, und stimmten ein Lied an, das zu unserer Hymne werden sollte. »Umoja – gemeinsam schaffen wir es.« Der Text sprudelte nur so über unsere Lippen. »Lasst es uns anpacken. Gemeinsam ist es nicht schwer.« – »Umoja«, sangen wir immer wieder. Und plötzlich war klar: Umoja – zusammen, das würde der Name unserer Frauengruppe sein, die wir hiermit aus der Taufe gehoben hatten. Fortan wollten
wir gegen all die Dinge ankämpfen, die ich in meiner Rede benannt hatte: die Benachteiligung der Frauen und die Gewalt gegen uns.
    Der Laden wurde nun immer mehr zur Informationsbörse. Hier tauschten wir uns aus. So erfuhr ich, wenn jemand Hilfe brauchte. »Wir müssen die Armut unter uns Frauen bekämpfen«, erklärte ich bei einem unserer Treffen. Von einer Kundin aus Nairobi hatte ich von den sogenannten »Merry Go Round«-Sparvereinen gehört. In den Slums der Hauptstadt halfen sich die Frauen mit Mikrokrediten gegenseitig auf die Beine. Sie sparten gemeinsam und wenn genug Geld zusammen gekommen war, bekam eine der Frauen die Ersparnisse und konnte davon ein kleines Geschäft aufbauen oder eine teure Anschaffung machen. Sobald sie selbst erste Geldeinnahmen hatte, musste sie den anderen das geliehene Geld wieder zurückzahlen. Doch das System des gemeinsamen Sparens kam bei uns nicht richtig in Gang. Die Frauen konnten ihren »Kleinkredit« oft nicht zurückzahlen, da ihre

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