Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
Männer ihnen das Geld wegnahmen. Wir würden also zunächst einmal unsere Stellung gegenüber unseren Männern verbessern müssen, bevor wir uns finanziell unabhängig machen könnten. Für diese Rechte würden wir hart kämpfen müssen. Ich ahnte, dass ein langer Weg vor uns lag. Wir waren erst am Anfang.
DU HAST ES NICHT ANDERS VERDIENT
Die Sonne stand als glühend roter Ball über den Bergen in der Ferne, die Luft hatte sich etwas abgekühlt und Archer’s Post lebte im roten Dämmerlicht auf. Aus der ganzen Umgebung waren Menschen zum Einkaufen und Schwatzen gekommen. Verstaubte Matatus trudelten aus allen Richtungen ein und ich suchte zwischen den altersschwachen Schrottkisten meine Warenladung aus Isiolo. Die Fahrer kannten mich und durchstöberten ihre Frachträume, als plötzlich Nagusi hinter mir stand und mich am Ärmel zog. Sie war außer Atem und völlig aufgebracht. Sie war die ganze Straße entlanggerannt, bis sie mich gefunden hatte. »Komm bitte sofort. Eine unserer Frauen ist ausgeraubt worden.« Entsetzt blickte ich meine Weggefährtin an. »Wo ist das passiert?«, fragte ich. »In der Nähe vom Nationalpark. Sie hat Ketten verkauft. Sie haben ihr die Ketten und ihr ganzes Geld weggenommen und sie dann auch noch geschlagen.« Ich war entsetzt. So ging es nicht weiter. Wir mussten unbedingt etwas dagegen tun. Immer häufiger kam es auf dieser Straße zu Überfällen. Wütend hasteten Nagusi und ich an Geländewagen und den Kiosken vorbei zu unserer Akazie. Dort trommelten wir sofort unsere Gruppe zusammen.
Binnen weniger Minuten hatten die ersten Frauen unter der Akazie Platz genommen. Mit ausgestreckten Beinen und geraden Rücken saßen sie aufrecht um den Baumstamm herum. Auf ihren Schultern lag ihr dichter Perlenschmuck. Einige
von ihnen stillten ihre Babys. Heißer Chai machte die Runde. Dicht aneinandergepresst warteten sie in ihren hauchdünnen, bunten Tüchern auf unsere Besprechung. Aufgeregt redeten sie durcheinander. Sie hatten von dem Überfall gehört. Die Verunsicherung unter den Frauen war groß. Sie waren verstört.
Die ausgeraubte Frau war außer sich vor Angst den ganzen Weg zu mir in meinen Laden gerannt. Sie schluchzte und wischte sich mit ihrem roten Kangatuch die Tränen aus dem Gesicht. Die Angst steckte ihr noch in den Knochen. »Es war fürchterlich«, jammerte sie und weinte bitterlich. »Sie haben mir einfach alles weggenommen. Wie soll ich nun meine Kinder ernähren?«, klagte sie. Verzweifelt senkte sie den Blick, während die anderen sie zu trösten versuchten. Selbst die Perlenketten, die die anderen Frauen hergestellt hatten und die sie zum Verkaufen dabeigehabt hatte, hatten ihr die Diebe weggenommen. Sie wollte diese zwar noch verstecken, doch es war ihr nicht gelungen – die Diebe rissen ihr alles weg. Nagusi und ich sprachen beruhigend auf sie ein. »Wir werden einen Weg finden. Wir werden dich nicht hängen lassen.« Ich nahm mir vor, der Frau unter die Arme zu greifen.
Noch völlig aufgewühlt erzählte sie, was passiert war. Es dämmerte schon und sie wollte gerade nach Hause aufbrechen, als sich plötzlich mehrere angetrunkene Männer vor ihr aufgebaut und Geld gefordert hatten. Als sie sich weigerte, ihre Tageseinnahmen herauszurücken, hatten sie sie an ihren Ketten gepackt und geschüttelt. »Es ist unser gutes Recht, dir das Geld abzunehmen«, hatten sie gerufen und sie unter großem Gelächter herumgeschubst. »Du darfst hier gar nichts verkaufen«, hatte einer der Männer gerufen. »Wo ist deine Lizenz?«, hatte ein anderer gegrölt. »Wenn du uns das Geld nicht gibst, bringen wir dich zur Polizei. Wir zeigen dich an und du landest im Gefängnis.« Am Ende hatten sie sie geschlagen und genötigt, ihre gesamten Einkünfte herauszurücken. Dann hatten die Männer sie noch durchsucht und dabei die verbliebenen
Ketten gefunden. »Lass dir das eine Warnung sein«, hatten die Männer gedroht und höhnisch gelacht. »Und halte ja deinen Mund, sonst verprügeln wir dich das nächste Mal richtig.«
Völlig niedergeschlagen saß sie nun da wie ein Häufchen Elend, als habe ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie fühlte sich erniedrigt. Das Gelächter der Männer hatte ihr mehr zugesetzt als die Schläge. Wir redeten ihr noch lange gut zu, um sie aufzubauen. Ich versuchte sie zu überreden, Anzeige zu erstatten, doch der Gedanke daran, eine Polizeistation zu betreten, warf die arme Frau völlig aus der Bahn. Sie begann erneut zu weinen und mir
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