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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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waren sie vor Kurzem ausgeraubt worden. Ab hier durchquerten wir dichtes Buschland bis zum Fluss. Hier offenbarte sich uns ein wunderbarer Blick auf die Palmen, die sich in der warmen Nachmittagssonne in den Himmel reckten. Akazien und dichtes Buschland, so weit das Auge reichte. Ringsherum am Horizont ragten vulkanische Berge in den Himmel und vor uns funkelte das Wasser in tausend goldenen Schattierungen. Es verschlug mir die Sprache. Ich glaube, ich hatte die Schönheit dieses ansonsten ausgedörrten Landstrichs noch nie so wahrgenommen wie in diesem Moment. Vielleicht weil ich dankbar war, noch am Leben zu sein. Vielleicht weil ich die Verstrickungen meines Familiendramas hinter mir gelassen hatte. Ich stand am Ufer und schaute über das wunderschöne Panorama und zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte ich, wie mich eine gewaltige Energie durchströmte, die ich früher nur in Wamba mit meinem Vater in den Bergen verspürt hatte. Neue Lebenskraft durchflutete meinen Körper.
    Genau hier wollten wir unser Frauendorf gründen. Wir hielten Ausschau nach Krokodilen und als wir keine sahen, wateten wir voller Freude durch den Fluss und bespritzten einander mit Wasser. Aufgeregt durchforsteten wir das Land und suchten dabei Feuerholz, während sich die Sonne in der Ferne am Horizont hinter den Bergen als majestätischer Feuerball zurückzog. Wir atmeten tief durch, stellten uns in einen Kreis und begannen zu beten. Unsere Worte hallten durch die rot glühende Landschaft. »Möge Ngai uns die Kraft für diese Mammutaufgabe geben. Möge er uns den richtigen Weg weisen und uns schützen, wenn wir auf Widerstände stoßen sollten. « Wir legten einen Schwur ab: Egal was passieren würde,
wir wollten einander Schutz geben und aufeinander aufpassen. Wir waren fünfzehn Frauen. Jede von uns hatte auf die eine oder andere Art körperliche Gewalt durch Männer erlebt. Damit sollte jetzt Schluss sein. Wir hatten es satt, uns bevormunden zu lassen. Dieses Stück Land, das wir auserkoren hatten, sollte unser Schutzraum werden. Niemand sollte hier je geschlagen werden. Dafür wollten wir sorgen. Hier würden wir unsere eigenen Hütten bauen.
    Wir zündeten ein Feuer an und schlugen ein Lager auf, weil wir gleich hierbleiben wollten, doch ich glaube, keine von uns bekam in dieser ersten Nacht ein Auge zu. Wir waren zu aufgeregt und schmiedeten Pläne für die Zukunft. Der Mond war gerade über dem Uwaso-Fluss aufgegangen. Alles war gespenstisch still, als wären wir die Einzigen weit und breit in der Endlosigkeit dieser Graslandschaft. Was würden die Männer in Archer’s Post sagen? Wie würde der Ältestenrat reagieren?, fragten wir uns kichernd. Uns war klar, dass ein reines Frauendorf gegen alle bestehenden Regeln verstieß und die reine Provokation darstellte.
    Doch der Druck auf uns Frauen war so groß, dass wir gewillt waren, diese Auseinandersetzung auf uns zu nehmen. Wir alle brauchten einen Ort, um zur Ruhe zu kommen. Ich konnte mir im Augenblick nicht vorstellen, meinem Mann und seinen Eltern je wieder in die Augen zu schauen. Neben der körperlichen Gewalt, die ich erfahren hatte, war auch meine Seele verletzt. Viele Frauen lebten in ständiger Angst vor ihren Männern. Manchmal waren sie völlig erschöpft, weil sie sich ständig verstecken und untertauchen mussten. Immer wieder stellten die Männer ihnen nach und forderten Geld, weil sie wussten, dass ihre Frauen Schmuck verkauften. Andere fürchteten um ihre Kinder, die ihre Ehemänner ihnen wegzunehmen drohten, oder erlebten monatelangen Telefonterror. Wir waren uns einig. Unser Frauendorf Umoja sollte ein Zufluchtsort für uns und später auch für andere Frauen werden.

    Am nächsten Morgen schien plötzlich alles ganz einfach. Ohne große Umschweife begannen wir mit den ersten Sonnenstrahlen den Bau unserer Manyatta, die aus mehreren Hütten bestehen sollte. Wir versammelten uns um eine kleine Feuerstelle, auf der bereits das Teewasser kochte, und teilten die Arbeit ein. Jede von uns konnte mitbestimmen. Täglich legten wir von Neuem fest, wer welche Arbeiten verrichtete. Als Erstes begannen wir mit einer Panga, einem Buschmesser, Akazienzweige zu schlagen, türmten nach alter Samburu-Tradition eine Art Schutzwall um uns herum auf und kreisten so das Land ein, auf dem zukünftig das Dorf stehen sollte. Die dicken Dornen unseres Zauns sollten uns vor wilden Tieren und Eindringlingen schützen. Einige der Frauen, die die Gegend wie ihre eigene Westentasche

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