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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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Bedingungen hätten die Frauen noch nicht einmal die Fragen verstanden und ihre Antworten wären ins Leere gelaufen.
    »Sie meinen es gar nicht ernst mit dieser Untersuchung«, erklärte ich dem britischen Offizier schroff, der zu einem Treffen geladen hatte. »Sie wollen doch gar nicht wirklich herausfinden, was geschehen ist.« Der Chief und einige Männer aus dem Ältestenrat von Archer’s Post waren erstaunt über meinen forschen Umgangston und nickten. Sie waren mit mir zu diesem Treffen gegangen und tief beeindruckt, dass ich mich von den Uniformen der Offiziere überhaupt nicht ins Bockshorn jagen ließ. »Sie wollen uns doch nur einschüchtern«, erklärte ich kategorisch. Die alten Herren zuckten zusammen. Einige von ihnen hatten früher in der britischen Armee als Späher und Fährtenleser gearbeitet. Sie hätten sich nie getraut, so mit einem Offizier der britischen Armee zu sprechen.
    Doch meine Worte wirkten Wunder. Die Führungsspitze lenkte ein. Man wollte mit uns bei einem guten Essen die Zukunft der Frauen erörtern. Aber ich ließ mich nicht darauf ein. »Sie wollen uns doch nur besänftigen«, erklärte ich und lehnte die Einladung ab. »Wir brauchen kein gutes Essen, um zu reden. Wenn Sie glauben, dass ich meine Schützlinge für eine Goodwill-Geste verraten würde, dann haben Sie sich getäuscht.« Mit diesen Worten verabschiedete ich mich von den hohen Herren und verließ mit meinen Begleitern das Armeecamp.
    Kurze Zeit später führte die britische Militärpolizei die Befragungen der Frauen in meiner Anwesenheit unten am Fluss im Schutz der Akazien durch. Eine merkwürdige Situation. Die Männer saßen in ihren Camouflage-Uniformen auf Klappstühlen und wedelten mit ihren Mützen die Fliegen weg, während die Frauen ihnen Details über ihre schlimmsten Erlebnisse offenbarten. Sie taten das nur in der Hoffnung, dass das Unrecht gegen sie endlich gesühnt würde. Doch wieder
geschah monatelang gar nichts. Mir wurde klar, dass es überhaupt nicht im Interesse der Armee lag, die Fälle aufzuklären. Mit den Befragungen hatte man uns wahrscheinlich nur beschwichtigen wollen. Jetzt wartete die Armeeführung einfach ab, bis Gras über die Sache gewachsen war. Was wir brauchten, war eine unabhängige Untersuchung, denn die Offiziere waren befangen, glaubten wir. Es hatte keinen Sinn, dass die Leute, die ein Verbrechen begangen hatten, es auch untersuchten. Letztlich waren es ja Soldaten, die die Frauen vergewaltigt hatten. Die kenianische Polizei hätte die Vorfälle untersuchen müssen, doch sie nahm keine Notiz von den Vergewaltigungsfällen. Es schien nicht im Interesse unserer Regierung zu sein, das britisch-kenianische Verhältnis wegen ein paar vermeintlicher Vergewaltigungsopfern, die noch dazu aus einer rückständigen Volksgruppe stammten, zu belasten.
    Wir waren verzweifelt, wollten aber nicht aufgeben und setzten uns zusammen. Nächtelang diskutieren wir in Umoja, bis wir uns entschlossen: eine Demonstration vor der britischen Botschaft in Nairobi. Wir organisierten Kleinbusse, quetschten uns hinein und ratterten über die staubigen Pisten in den Betondschungel Nairobi. Mit selbst gemalten Plakaten marschierten dreihundert der sechshundertfünfzig Betroffenen und ein paar Jugendliche aus Archer’s Post vor der British High Commission auf und ab. In unseren bunten Kleidern bildeten wir einen lebensfrohen Tupfer vor dem kalten Betonklotz der britischen Vertretung. Der Presserummel war enorm. Immerhin hatten wir es geschafft, die Vergewaltigungsfälle öffentlich zu machen und die Hintergründe zu beleuchten. Allein das schadete dem Ansehen der britischen Armee in Kenia. Es änderte zwar nichts an der Tatsache, dass die Fälle im Sande verliefen und die Ermittlungen eingestellt wurden, aber immerhin hatten wir klargestellt, dass wir uns nicht alles gefallen ließen.
    Außerdem verstanden jetzt auch einige unserer Dorfältesten in Archer’s Post, dass es sich um ein Unrecht gegen die Frauen
handelte. Unsere Standhaftigkeit und unser Mut hatten ihnen imponiert. Wir hatten uns selbst von hochdekorierten Offizieren der alten Kolonialmacht England nicht von unserem Kurs abbringen lassen. Das beeindruckte die Männer. Die Ältesten unter ihnen konnten sich noch gut an die Unterdrückung großer Teile des kenianischen Volkes durch die Kolonialherren in den Fünfzigerjahren erinnern.
    Die Aktion stärkte nicht zuletzt unser Selbstbewusstsein und wir fuhren fort, an unserer Unabhängigkeit zu

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