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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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für die Toiletten und Duschen zu verlegen, engagierten wir gleich auch noch ein paar Maurer, die die restlichen Bandas errichteten. Später folgte dann noch der Bau eines kleinen Lokals, in dem wir Gäste bewirten konnten. Die Wände ließen wir von Samburu-Künstlern mit traditionellen Motiven verzieren.
    Jetzt tauchten immer mehr Reisende mit ihren Rucksäcken auf. Manche kamen in ihren Geländewagen und übernachteten in Dach- oder kleinen Stoffzelten oder mieteten unsere Bandas. Sie alle waren sprachlos, wenn das warme Sonnenlicht morgens und abends das herrliche Flusspanorama in tausend Farbnuancen erstrahlen ließ. Die meisten hatten eine Expedition ins wilde Afrika gesucht und waren überwältigt, bei uns erstmals auch die Kultur der Menschen hautnah mitzubekommen. Abends machten wir für sie ein Feuer, führten unsere
traditionellen Tänze auf und erzählten unsere Geschichten, manchmal bis tief in die Nacht. Die funkelnde Milchstraße schien oft zum Greifen nah und unsere bescheidenen Bandas wirkten in jenen Momenten wie ein Tausend-Sterne-Hotel.
    Morgens kochten wir den Gästen in unserem kleinen Lokal unter einem Strohdach auf einer offenen Feuerstelle Tee. Von unseren Plastiktischen aus, die wir mit traditionellen Stoffen gedeckt hatten, genossen sie den Blick auf den Fluss und die Palmen. In Umoja war mittlerweile eine Generation junger Frauen herangewachsen, die Englisch sprachen und mit den Touristen reden konnten. Sie übernahmen immer mehr Verantwortung auf dem Campingplatz.
    Unter diesen jungen Frauen war die neunzehnjährige Gladys. Sie lebte seit acht Jahren bei uns. Ihre Mutter war von ihrem Mann jahrelang verprügelt und eines Tages verjagt worden, als er ihrer überdrüssig wurde. Daraufhin war ihre Mutter mit ihr bei uns eingezogen. Gladys war also bei uns aufgewachsen und hatte schon mit elf Jahren die ersten Diskussionen über Frauenrechte erlebt und mitbekommen, wie unser Dorf über die Jahre gewachsen ist. Wir hatten dafür gesorgt, dass sie zur Schule ging. Weil Gladys über ihre Mutter häusliche Gewalt hautnah mitbekommen hatte, kam es für sie gar nicht infrage, sich durch eine Heirat einem Mann auszuliefern. Außerdem war sie gebildeter als die meisten Samburu-Männer, die jahrelang nur Tiere gehütet hatten und noch nicht einmal lesen und schreiben konnten. Es war also ohnehin schwer für sie, einen geeigneten Partner zu finden. Doch sie dachte auch gar nicht an eine Ehe oder daran, Umoja zu verlassen.
    Als dann vor zwei Jahren Judy Lelampa, eine achtzehnjährige Frau, bei uns auftauchte, freundeten sich die beiden Frauen sofort an. Mittlerweile sind sie unzertrennlich. Auch Judy dachte nicht daran, einen Samburu-Mann zu heiraten, obwohl sie eine kleine Tochter hatte. Mit vierzehn sollte sie an einen fünfzig Jahre alten Mann verheiratet werden. »Er sah aus wie
ein Affe«, wetterte sie. »Ich habe mich vor ihm geekelt und hätte mir nicht vorstellen können, ihn anzufassen.« Selbstbewusst strahlte sie Gladys an. Keine von uns hätte es gewagt, in dem Alter so zu sprechen. »Du hättest ihn zur Polizei schleppen sollen. Mit vierzehn bist du doch noch ein Kind«, erwiderte Gladys grinsend, froh, dass ihre Freundin den Weg nach Umoja gefunden hatte. Eine Nachbarin hatte ihr vom Dorf der Frauen erzählt. Das hatte Judy die Kraft gegeben, sich loszusagen und unser Frauendorf zu suchen.
    Bald wurden wir in internationalen Reiseführern erwähnt. »Kein gewöhnliches Dorf«, hieß es. »Das Zusammenleben der Samburu-Frauen ist revolutionär in Afrika. Hier haben die Frauen das Sagen«, erklärten die Autoren. Die Emanzipation afrikanischer Frauen habe es bislang nur in den Städten gegeben, schrieben sie. Es handele sich um die ersten richtigen Feministinnen auf dem Land. Kaum eine von uns verstand die Bedeutung dieses Wortes. Nagusi, Naibala, Lucy und ich saßen kichernd vor meiner Hütte und lasen den Text. Wir machten also als Feministinnen Furore, obwohl wir die Bedeutung nicht einmal kannten.
    Ich glaube, unser Lebensstil hat einfach etwas sehr Afrikanisches. Schon meine Mutter hatte dafür gesorgt, dass es den Frauen und Kindern im Dorf gut ging, und zwischen uns und den anderen Frauen meines Vaters bestand eine tiefe Verbundenheit. Diese Fürsorglichkeit unter den Frauen in meiner Jugend hat mich wohl für mein Leben geprägt und mich dazu gebracht, mich schon früh schützend vor schwächere Frauen zu stellen.
    Während uns die Touristen bewunderten, flößten wir den

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