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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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einige Patenkinder neben meinen fünf eigenen Kindern. Seit einigen Jahren kümmerte ich mich auch noch um die Kinder von Frauen, die ich im Gefängnis betreut hatte. Zwei wohnten bei uns in Umoja, für andere zahlte ich die Schulbücher, die Tochter meiner Schwester lebte in unserem Haushalt in Archer’s Post und Francis, den ich als kleinen Jungen als Hirten nach Archer’s Post geholt hatte, gehörte auch schon lange zu unserer Dorfgemeinschaft und ging in Umoja in die Schule.
    »Lasst uns mutig nach vorn schreiten. Wir lassen uns das nicht länger bieten«, rief Lucy als eine der mutigsten Frauen und stimmte unser Lied an. Alle fielen in den Gesang mit ein. Ich war erleichtert. Einmal mehr würden wir nun zeigen, dass unsere Gegend kein gesetzloser, rechtsfreier Raum sein durfte, in dem Gewalt gegen Frauen nicht geahndet wird. Wir, die Entrechteten, würden uns starkmachen für die, die noch schwächer waren als wir. Wir wollten uns nicht mehr länger als Opfer herumschubsen lassen. »Umoja«, sangen die Frauen. »Zusammen sind wir stark.«
    Wie immer, wenn wir einen Entschluss gefasst hatten, verloren wir keine Zeit. Wir erstatteten Anzeige bei der Polizei und suchten sofort die Kinder auf, die mittlerweile aber schon bei Nachbarn und Verwandten untergekommen waren. Wir entschieden, dass es für die Kinder besser sei, in der gewohnten
Umgebung zu bleiben. Der Fall war eine Sensation. Erstmals stand ein Samburu wegen Mordes an seiner Frau im Samburu-Distrikt vor Gericht. Die Beweise waren erdrückend. Die Nachbarn hatten genau gesehen, wie er seine Frau wie einen Hund zu Tode geprügelt hatte. Vor dem Gerichtsgebäude hatte sich eine riesige Menschentraube gebildet. Das Urteil: sieben Jahre Gefängnis. Immerhin ein Strafmaß, das über das von Bagatelldelikten hinausging. Ich glaube, das war das erste Mal, dass die Polizei im Greater Samburu Distrikt dem Mord einer Frau durch ihren Ehemann überhaupt nachgegangen ist. Normalerweise verharmlosten sie derartige »Zwischenfälle« als Familienangelegenheit, die die Behörden nichts anging.
    Zufrieden gingen wir nach dieser Urteilsverkündung nach Hause, schlachteten eine Ziege, feierten und diskutierten noch bis in die späte Nacht. Die Männer in Archer’s Post regten sich schrecklich darüber auf, dass dem Mann überhaupt der Prozess gemacht worden war. Sie beschimpften uns, als wir in den Dukas einkauften. Doch ihre Hasstiraden ließen uns kalt. Wir zelebrierten das Urteil als einen Meilenstein in der Befreiung der Frauen in diesen Gefilden und als Erfolg unseres Frauendorfs. Endlich wurde der Mord an einer Frau als Verbrechen wahrgenommen und geahndet.
    Die Frauen schöpften aus dem Urteil zwar Hoffnung, aber dennoch fehlte nicht nur den Männern, sondern auch den meisten Frauen das Verständnis, dass Gewalt gegen Frauen ein Unrecht ist. Wir waren alle in diesem Umfeld aufgewachsen, in dem Frauen regelmäßig Gewalt erlebten. Die meisten von uns waren als Arbeitstiere groß geworden, die früh aufstehen und den ganzen Tag schwer arbeiten mussten und spätabends völlig erschöpft auf ihr Lager sanken. Sie hatten nie Zeit gehabt, über ihre Situation nachzudenken. Keiner hatte sie je über ihre Rechte aufgeklärt, und das wollte ich nun schnellstens ändern.
    »Harambe – lasst es uns gemeinsam anpacken«, erklärte ich. Vor mir drängten sich alle fünfundvierzig Umoja-Frauen
in einem unserer beiden Klassenzimmer, gespannt darauf zu erfahren, was ein »Workshop« ist. Das kenianische Netzwerk Indigenous Information Network war mit ein paar Mitarbeiterinnen und Broschüren zum Thema Frauenrechte angereist. Nagusi, die nie in ihrem Leben eine Schule besucht hatte, saß in der ersten Reihe, begierig darauf, mehr über unsere Rechte als Frauen zu erfahren. Sie klebte an den Lippen der Referentin aus Nairobi. Obwohl der Raum zum Bersten voll war, hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
    Die Frauen staunten, als sie hörten, wie schlecht wir im Vergleich zu manch anderen Kenianerinnen dastanden und dass sich Frauen in den Großstädten viele Rechte erkämpft hatten. Es war also nicht selbstverständlich, dass Männer ihre Frauen schlugen. Wir schauten einander erstaunt an. Doch das Bild, das uns die Referentin malte, war ein überaus differenziertes, denn auch in den Großstädten litten Frauen oft jahrzehntelang unter den Hieben und Tobsuchtsanfällen ihrer Männer. In den Slums von Nairobi war die häusliche Gewalt gegen Frauen zum Teil sogar noch

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