Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
arbeiten. In weiteren Workshops lernten wir nach und nach die Grundbegriffe der Buchhaltung und Geschäftsführung, was nötig wurde, weil wir immer mehr Geld mit unseren Verkäufen erwirtschafteten und Umoja als Verein hatten registrieren lassen. Langsam wurde das Leben in Umoja angenehmer. Nach den jahrelangen Entbehrungen ging es endlich finanziell bergauf. Nachdem wir unsere Manyattas und das Schulgebäude errichtet hatten, zahlten wir zwar immer noch unsere Hypothek ab, doch wir konnten meistens am Ende des Monats etwas Geld zurücklegen.
Davon kauften wir in Archer’s Post Holzstangen, aus denen wir ein paar Verkaufsstände zusammenzimmerten. Singend richteten wir sie an unserem Seiteneingang direkt an der Sandpiste auf und stellten dort ein großes selbst gemaltes Schild mit unserem Namen auf: Umoja. Fünf Buchstaben nur und doch waren sie in dieser Wortkonstellation nach wie vor für viele unserer Männer eine Provokation. Aber für die vielen Vorbeifahrenden aus anderen Welten klangen die fünf Buchstaben wie eine verheißungsvolle Melodie. Umoja – das Frauendorf. Frühmorgens mit den ersten Sonnenstrahlen legten wir unsere Ketten, Ohrringe und bunt geschmückten Kalebassen in den Ständen aus. Kurz danach preschten dann die ersten Reisebusse nach ihren morgendlichen Safaris durch den Samburu-Nationalpark in Richtung Nairobi an unserem Dorf vorbei und manche hielten bei uns an.
Unter den Safariunternehmen hatte es sich schnell herumgesprochen, dass wir in Umoja schönen Schmuck herstellten und erschwingliche Preise verlangten. Wir erzählten ihnen, wie wir uns von unseren Männern losgesagt und dieses Dorf gegründet hatten, führten sie herum und zeigten ihnen, wie wir unsere Manyattas bauten. Vor allem Amerikaner und Europäer waren fasziniert. Sie machten Fotos und trugen die Kunde vom ersten afrikanischen Frauendorf in alle Welt.
Eines Morgens kniete die junge Senteyo über einer Zeichnung von einer Perlenboa, die uns eine amerikanische Künstlerin gegeben hatte. Sie war die Geschickteste unter uns und bekam selbst die kniffligsten Ketten hin. Im Kreis der staunenden Frauen entstand ein ganz neuartiges Schmuckstück. Neugierig blickten die anderen auf die flinken Hände von Senteyo, die einen Strang nach dem anderen mit kleinen bunten Tentakeln zu einem dichten Perlencollier zusammenfügte. Senteyo, die als junges Mädchen zu uns gekommen war, hörte gar nicht mehr auf zu fädeln. Sie war wie besessen. Keine von uns hatte so ein Gefühl für Farben und Formen wie sie.
Senteyo war in großer Armut aufgewachsen, da ihr Vater schon früh gestorben war. Sie hatte sich nach dessen Tod zusammen mit ihrer Mutter und ihren sechs Geschwistern mehr schlecht als recht durchgeschlagen. Eigentlich hatte sie ihre ganze Kindheit damit verbracht, Feuerholz zu schleppen und Ziegen zu hüten. Weder sie noch ihre Geschwister waren je zur Schule gegangen. Die große Kargheit ihrer Kindheit schien sie nun mit dem Jonglieren von Farben zu überwinden. Mit zwölf oder dreizehn Jahren, so genau weiß sie das nicht, war auch sie beschnitten und für ein paar Kühe an einen alten Mann verheiratet worden.
Die Frauen waren begeistert, als Senteyo endlich die letzten Perlen aufgefädelt hatte. Die Kette war dicht und schwer, die Fäden kunstvoll miteinander verwoben. Das Modell wurde zum neuen Verkaufsschlager.
Unsere Zukunft schien rosig. Die Vorstellung, dass reiche Touristen unseren Schmuck zu ihren Abendroben trugen, trieb uns an. Schon bald hatten wir genug Geld, unsere Hypothek abzuzahlen und unseren Traum von einer eigenen Lodge wahrzumachen. Dafür hatten wir jahrelang geschuftet und eisern gespart. Voller Enthusiasmus gingen wir an die Arbeit. Unser Plan sah sechs sogenannte Bandas, traditionelle Rundhütten aus Stein, für Touristen vor. Die Dächer wollten wir aus Palmwedeln und Zweigen fertigen, sodass man nachts vom Bett aus in den Himmel schauen konnte.
Zunächst ebneten wir mit unseren Buschmessern einen Weg direkt oberhalb des Flussufers und begannen mit dem Bau der ersten Hütte mit Blick auf den Fluss. Da wir den Arbeitern beim Bau der Schule genau zugeschaut hatten, wollten wir die Bandas selbst bauen. Doch wir bekamen noch nicht einmal die richtige Mischung des Zements hin. Außerdem war es körperlich harte Arbeit, die uns kräftemäßig an unsere Grenzen brachte. Für eine einzige Banda brauchten wir mehrere Wochen. Bald ging uns die Puste aus. Da wir ohnehin einen Klempner brauchten, um die Rohre
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