Mamas Gluecksbuch
Nichts anderes als die bewusste Wahrnehmung des Augenblicks.
Jetzt also.
Jetzt
Wie fühlen sich meine Hände an?
Wie meine linke Handfläche, wie die rechte?
Welche Geräusche kann ich hören?
Was sehe ich draußen, wenn ich aus dem Fenster gucke?
Wo im Körper beginnt mein Atem?
Wie sind meine Gefühle gerade? Ich bewerte sie nicht.
Haben wir denn diesen einen Moment an Zeit?
Ja, so oft wir uns daran erinnern.
Um achtsam zu sein, müssen wir nicht Bungee jumpen oder große Abenteuer erleben. Wenn wir innehalten und lauschen, ist das ganz normale Hier und Jetzt schon abenteuerlich genug. Was man da alles mit den Sinnen bemerken kann: hier Geräusche, da Gefühle, dort Gedanken, plötzliche Emotionen – es ist kaum möglich, die vielen Eindrücke gleichzeitig zu erfassen!
Achtsam sein im Alltag
Im Alltag mit unseren Kindern können wir uns in jedem Moment in Achtsamkeit üben, um den gegenwärtigen Augenblick ohne Schleier wahrzunehmen. Beim Essen, beim Spielen, beim Spazieren, sogar beim Einschlafen.
Zugegeben, mir ist nicht so gut gelungen, was Achtsamkeitsspezialist Jon Kabat-Zinn* von sich selbst erzählt: wie er nächtelang aufmerksam und genießend dem gleichmäßigen Atmen seiner kleinen Tochter lauscht, die er als Säugling auf dem Arm wiegt. Ich dachte in diesen Situationen nur an Schlaf und ans Überleben mit oder trotz Baby. Aber es ist offensichtlich, dass Achtsamkeit uns die große Gelegenheit schenkt, die Gegenwart bewusster und anders wahrzunehmen.
Die Disziplin, die das Erüben der Achtsamkeit erfordert, lohnt sich tatsächlich. Auch schwierige Phasen können wir positiver sehen, ihren Zusammenhang mit unserer inneren Haltung erkennen, ihren Sinn ergründen. Wir brauchen dann nicht mehr unter ihnen zu leiden oder uns sogar mit reinen Befürchtungen (»Hilfe, was ist bloß, wenn Lea und Felix heute wieder so schlecht schlafen?«) um den Seelenfrieden zu bringen. Mit dieser Geisteshaltung können selbst ganz kleine, unspektakuläre Alltagssituationen eine große, besondere Bedeutung gewinnen. Achtsamkeit erkennen wir
daran, dass wir immer klarer wahrnehmen, was wichtig ist und was nicht: Gemeinsam gute Laune zu haben, ist zum Beispiel ziemlich wichtig.
Die Kinder kommen von den Nachbarn wieder. Ich sehe meinen großen Sohn und seine quirlige Schwester. Die leuchtenden Augen und ihre zarten Seelen, die sich in den Augen spiegeln. Ich betrachte ihre Persönlichkeiten – voller Lebenslust und ungebremster Energie – von der sie bereits einiges in der Sandkiste ausgetobt haben, unverkennbar an den Hosen zu sehen, die in hohem Bogen, gefolgt von einem Sandregen, über den Fußboden segeln. Grußlos fegen sie an mir vorbei, reißen den Kühlschrank auf, die Tür knallt an die Wand, uppala, eine Dose fällt auf den Boden und bleibt liegen. Schon hat Felix sich die Milch geschnappt und trinkt direkt aus der Packung. Dass die Hälfte dabei danebenschwappt, stört ihn nicht besonders. Lea greift nach einem Joghurt. Felix will ihn ihr aus der Hand reißen. Beide kreischen. Ich weiß gar nicht, wo ich mit Tempo-Bremsen anfangen soll, bin schon atemlos vom Zusehen. Dann geht’s aber los: »Lea, Felix! Jetzt wird nicht gegessen! Legt eure Hosen ins Bad! Wer fegt das jetzt auf?« Ohne es zu merken, ist mir die so angenehme staunend-liebevolle Wahrnehmung der beiden Wesen vollkommen entglitten und ich bin nur noch gefangen in Reaktion. Ich möchte wieder dorthin zurück, das geht auch: Langsam müssen wir nun alle wieder runterkommen.
Einen Schritt nach dem anderen dürfen wir in solchen Augenblicken dafür sorgen, dass die Kinder zur Ruhe kommen, und versuchen, uns von ihrem Tempo nicht anstecken zu lassen.
In diesem Fall hat das geklappt: Einen Moment später liegen wir auf dem Teppich und träumen, wir reisen über die Welt. Da unten ein Zirkus … und etwas weiter Indianer …
Vielleicht gelingt es uns zu zehn Prozent am Tag, an denen wir unsere Kinder wirklich wahrnehmen und nicht im Sog ihres rauschenden Tempos und dem Impuls zu reagieren gefangen sind. In diesen wenigen Momenten aber können wir sie wirklich sehen, unsere Kinder. Ganz ohne Erwartungen, Verbesserungsvorschläge, Maßregelungen, kurz: ohne Gedanken im Kopf, die uns den Blick verstellen. Manchmal erfordert das starke Konzentration. Dann plötzlich gelingt es sogar wie von selbst, ganz leicht, voller Zuneigung und Aufmerksamkeit.
Wir können dies in jeder alltäglichen Situation ausprobieren. Dafür ein paar
Weitere Kostenlose Bücher