Mamas Gluecksbuch
auch schwer: Voller Freiheit bemächtigen sie sich unserer Wahrnehmung und unseres Selbst. Sie sind unermüdlich am Rotieren und meistens lassen sie uns innerlich genau dann nicht zur Ruhe kommen, wenn wir es besonders dringend bräuchten.
Die Krux mit Sein und Schein
Nicht die objektive Situation, nein, unsere Gedanken dazu sind es, denen etwas nicht passt und die uns auf die Idee bringen, jetzt etwa anständig beleidigt zu sein. Das, was unsere Kinder uns wirklich sagen wollen, wird durch unsere Gedanken überdeckt. Oder unsere Gefühle kreuzen den Weg. Bewertungen schieben sich davor. Wie ein Schleier, durch den wir das, was wirklich ist, nur schemenhaft erkennen können.
Falls unser Kind uns selten antwortet – und wenn, dann klingt es eher lustlos –, nehmen wir das auch mal persönlich und reagieren verärgert. Sind wir aber wirklich aufmerksam, können wir merken: Das ist nicht unfreundlich, sondern einfach sein Naturell. Höchstwahrscheinlich ist es mit etwas anderem intensiv beschäftigt. Auch der »ruppige Ton« ist möglicherweise nur unsere subjektive Interpretation, denn seine Freunde stört das nicht im Geringsten. Im Gegenteil, sie sprechen genauso. Oder unser Kind sagt: »Schmeckt mir nicht!« Das können wir gut und gerne als kränkend aufnehmen und nicht sehr besonnen reagieren. In Wirklichkeit hat unser Nachwuchs einfach nur seinen Geschmack geäußert, verärgern wollte er uns nicht.
Sicher ist es wichtig, dass Kinder sich ausdrücken, ohne ihre Mama und andere Mitmenschen zu verletzen. Allerdings sind die meisten Dinge, die sie sagen, nicht beleidigend gemeint, sondern nur auf kindliche Weise klar ausgedrückt – und wir interpretieren sie anders.
Gedanken gehören auch mal ins Sportstudio
Während wir unseren Körper gut kontrollieren können, gelingt uns das mit unseren Gedanken eher selten, oder?
Unsere Gedanken kontrolliert zu lenken, darin sind wir allerdings recht untrainiert. Wäre unser Körper auch so beschaffen, so unbeherrschbar und stimmungsschwankend, müssten wir ihn ununterbrochen bändigen und wären zu keiner richtigen Tätigkeit imstande. Dann könnten wir deutlich erleben, was da eigentlich im Oberstübchen bei uns los ist. Wir würden unter zappeligen Beinen leiden, der Kopf würde ständig in andere Richtungen schauen, unsere Mimik im Sekundentakt wechseln. Die Arme? Hochgeworfen. Dann wieder eng am Körper – denn genau so sind die Gedanken. Ein Rätsel, wie wir bei diesem Theater überhaupt noch arbeiten können.
Wenn wir aus ihnen aber teamfähige Mitarbeiter machen, werden wir immer klarer. Die Momente, in denen mir dies gelang, ermöglichten einen ganz neuen Überblick, gewissermaßen eine Unabhängigkeit vom täglichen Kopfzirkus. Diese besondere Aufmerksamkeit für die Umgebung durch das In-den-Hintergrund-Rücken der Gedankenfluten können wir mitten im trubeligsten Kinderalltag umsetzen, in dem wir uns sonst impulsiv und unbedacht aufhalten.
Ein paar Minuten vor Felix’ Einschulungsfeierlichkeit beschloss die kleine Lea beispielsweise, sich einen Kakao selbst herzustellen – im Geheimen, sozusagen. Als ich sie suchte, befand sich bereits die gesamte Mecklenburger Seenlandschaft in unserer Küche. Sandhügel aus Kakao gaben dem Ganzen eine plastische 3-D-Atmosphäre. Mit einem sehr, sehr großen Seufzer begann meine laute Schimpftirade … dann hielt ich inne und beobachtete meine Gedanken: Wirr jagten sie durcheinander und verzettelten sich zwischen »Gleich geht die Einschulung los, dann wandert die gesamte Verwandtschaft durch diesen Kakaoteich« und »Lea muss vorher fragen!« und »Hilfe, ich drehe durch!«.
Ich ließ alle Sorgen sausen und betrachtete die Lage der Nation aus einer anderen Perspektive. Achtsam, von außen. Das Urteil fiel milder aus. Na schön, hier wurde also der Versuch zur Selbstständigkeit gemacht. Eigentlich ein guter Ansatz. Statt Mutter-Tochter-Konflikt (sprich: Streit und Tränen) nahmen wir uns zwei Lappen und wischten alles wieder auf. Dann tranken wir zusammen Kakao, bis der erste Gast klingelte.
Durch diese etwas veränderte Herangehensweise kam ich schneller wieder »zu mir« und konnte auch die Gesamtsituation entschärfen. Ich fahre zwar oft noch genauso schnell wie früher aus der Haut, kann mich aber schneller wieder fangen.
Bedacht und aufmerksam zu sein bedeutet, Dinge immer wieder von außen zu betrachten, ohne dass unsere Wahrnehmung dabei durch Stimmungen, Vorurteile und mentale Bewertungen getrübt wird.
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