Mamas Gluecksbuch
Koffer zu packen! Das kann ja nicht so schwer sein, überlege ich.
Mir nichts, dir nichts stehen jetzt allerdings drei riesige Koffer vor mir. Wie kommt das denn? Ich habe doch nur das Allernötigste gepackt für zwei Wochen Ostsee. Regenhosen, Windeln, Fläschchen, Feuchttücher, Anziehsachen. Mehr nicht. Ach ja. Handtücher, Lätzchen, Schwimmsachen, Kuscheltiere, Sonnencreme, Schaufeln. Soll das Töpfchen eigentlich mit? Ah, da ist ja noch unser Zelt. Die Fahrräder bleiben hier, passen sowieso nicht mehr ins Auto. Bademäntel sind Luxus. Sonnenhüte nicht vergessen. Und wenn es regnet, brauchen wir etwas zum Spielen für drinnen. Das sind nun drei Koffer, einer zu viel fürs Auto. Es folgt langes Knobeln; alles wieder abgespeckt, nun sind es noch zweieinhalb. Auch die passen nicht ins Auto.
Ist immer noch so viel Überflüssiges dabei? Der Papa tippt sich an die Stirn: »Du bist verrückt geworden.« Er fischt einen Schwimmring aus der Seitentasche. »Von all diesen Dingen brauchen wir gar nichts.« – »Aber der Schwimmring ist doch wichtig. Und er ist total klein«, erwidere ich. »Kleinvieh
macht auch Mist!«, ruft Felix und ich blicke ihn und Lea nachdenklich an. Stimmt.
Früher reichte mir ein kleiner Rucksack. An mir kann’s also nicht liegen. Lea kommt herbei, einen riesigen Sack hinter sich her schleifend: »Das nehme ich mit«, verkündet sie. Eine Spieluhr zum Einschlafen (von wegen schlafen!), Kuscheltiere, bunte Legoteile und andere lebenswichtige Dinge kullern heraus. Nach langem Verhandeln dürfen Spielkarten und Seifenblasen mit.
Felix genügt sein ferngesteuerter Gabelstapler, den nimmt er sowieso auf den Schoß. Nun will Lea auch irgendetwas Ferngesteuertes dabeihaben. Außerdem möchte sie im Auto gerne die Provianttüte halten, hat jetzt aber schon die Hälfte aufgegessen. Wir verbringen Stunden mit Feilschen. Schließlich ist alles auf zwei Koffer reduziert, die in unser kleines Auto geschoben werden. Eine Hand gegen die Koffer gestemmt, die andere wirft im Affenzahn die Heckklappe zu, damit nichts herauspoltert, so kann es endlich losgehen.
»Mir ist schlecht – wie lange noch? – ich habe Hunger – wann sind wir da?« So lautet unser gängiger Reisesong während der Fahrt. Mit Kasperlepuppen, Gummibärchen, hübschen Liedern aus meiner Kinderstube wie »Mich brennt’s in meinen Reiseschuh’n« und ein paar Hörspielen versuche ich die Truppe zu unterhalten, aber die kommt immer wieder auf ihre Grundbedürfnisse zurück. »Ich muss noch mal aufs Klo«, ruft Lea nun zum dritten Mal. »Mir ist sooo langweilig«, stöhnt Felix, »ich will nach Hause.« Wie soll man da bloß jemals in die Karibik kommen, wo es mich doch eigentlich magisch hinzieht? Na ja, erst mal also Ostsee. »Gleich sind wir da.«
Angekommen, regnet es in Strömen. Zum Glück haben wir die Regensachen dabei! Aber wo sind die eigentlich? Ah, eine
Jacke. Die von Papa. Die anderen haben wir vergessen. Sie müssen im dritten Koffer gewesen sein.
Schnell bauen wir das Zelt auf und setzen uns rein. So, das wäre erledigt. Lea ist mit den Malstiften verschwunden. Auch gut.
Nachts: Felix ist schlecht. Ich gehe dreimal mit ihm raus. Papa ist es im Zelt zu eng. Er zieht aus ins Freie. Immerhin schläft Lea wie ein Stein. Zum Glück scheint am nächsten Tag die Sonne, wir können schwimmen gehen, anstatt neue Regensachen zu kaufen. Papa langweilt sich und verschwindet mit seinem Laptop hinter den Dünen. Mama langweilt sich auch und blickt auf die See.
Ich kann mich nun aber nicht verziehen, denn einer muss die Kinder ja im Blick haben. Was nun? Ich seufze und beschließe: »Nachher tauschen wir eben und dann habe ich eine Pause. Jetzt ist wohl offensichtlich der Moment für wirkliche Achtsamkeit gekommen.« Ein Versuch ist es jedenfalls wert. Ich schlendere zu den Kindern und tippe mit dem Fuß ins Meer. Lea lacht mich an und ruft: »Los, verstecken, da kommt ein Seegestüm!« Felix nähert sich bedrohlich fauchend. Ich muss lachen und lasse mich erst mal ins Wasser fallen. Oh, glitzernde Fische sind da, weit oben ganz kleine weiße Wolken, neben mir Kinderlachen – und ich bin mittendrin. »Hier gefällt’s mir!«
Am Nachmittag erscheint der Campingplatz-Besitzer: »Ihre Tochter hat gestern Abend die Türen aller Nasszellen angemalt.« Ein Nachbar habe genau zugesehen. Schön ist es auf dem Zeltplatz … Hauptsache haftpflichtversichert! Sind wir das? Wir sehen uns groß an.
Lea kratzt sich währenddessen am
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