Mamas Gluecksbuch
Bindung zu ihm aufzubauen. War dieser Prozess zu kurz oder gar nicht möglich, sah man das als Gefahr für die innige Beziehung zwischen Mutter und Kind.
Bei vielen Müttern lösten diese Veröffentlichungen Druck aus. Die Sorge, etwas falsch zu machen, war groß: »Vielleicht fühle ich gar nicht sofort genug Liebe?« – »Ich konnte mein Kind nach der Geburt nicht auf den Arm nehmen – was nun?
Ist es jetzt zu spät für eine gute Mutter-Kind-Beziehung?« oder »Habe ich heute schon genug gebondet?«. Vor lauter Bonding-Fieber ging fast das Gefühl verloren.
Aber Entwarnung, alles zurück auf null! Wir erfahren heute, was uns vorher auch schon bewusst war: Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist ein natürlicher Prozess, der ganz von selbst entsteht und so viel Zeit in Anspruch nehmen darf, wie er eben braucht. Kann ein Baby aus medizinischen Gründen nicht sofort bei der Mutter liegen oder haben die Eltern ein Kind adoptiert, dann entwickelt sich trotzdem eine ebenso liebevolle Beziehung wie bei anderen.
Meine Cousine brauchte beispielsweise etwas länger, bis sie verinnerlicht hatte, dass sie nun nicht mehr zu zweit, sondern eine Familie sind: Die beiden Zwillinge kamen ihr eine ganze Weile so fremd vor. Es dauerte einfach ein wenig, bis sie miteinander richtig vertraut wurden. Eine Freundin wiederum war beim ersten Anblick ihres Babys im Brutkasten augenblicklich schwer verknallt.
Ich selber war mal begeistert, mal entgeistert – und schließlich tastete ich mich Schritt für Schritt mit stündlich wechselnden Emotionen von empathischer Liebe bis zu vollkommener Erschöpfung an das neue Lebensgefühl. Aber während all dieser vielen Gefühlswahrnehmungen entsteht genau eines: eine Beziehung.
Im Krankenhaus ist es ganz nützlich, wenn wir das Thema Bonding aufbringen: Unser Baby darf nach der Geburt nicht ungefragt aus unserem Sichtfeld verschwinden, um mal eben untersucht zu werden, wie es auch heute noch passieren kann. Mama bestimmt, ob das gerade geht und ob sie das will – denn vielleicht bonden wir gerade!
Eine zärtliche Beziehung sobald es geht, Nähe, wann immer sie möglich ist, und wenn es nicht gleich ging, dann
später durch gemeinsames Baden, Kuscheln, Im-Arm-Halten – all das bringt uns mit unseren Kindern liebevoll zusammen, ganz egal zu welchem Zeitpunkt. Und unabhängig davon, wie die erste Phase nach der Geburt verlaufen ist.
Gurus in der Krabbelgruppe
Krabbelgruppen, Kurse jeder Art und Spielplätze sind wunderbare Erfindungen für den Alltag und zugleich herrliche Bühnen für brilliante Selbstdarstellungen der dort versammelten Mamas und Papas: Sämtliche Überzeugungen können hier effektvoll vorgeführt werden.
»Man soll jetzt immer …«, »Ich habe gelesen, dass …«, »Da hilft nur …« – so werden manche Thesen beiläufig eingeführt.
»Was? Du stillst noch?« oder »Oje, du stillst nicht mehr?« und »Wie bitte, du stillst schon wieder?« sind Sätze, die verdeutlichen, was die Sprecherin gerade für sinnvoll hält. Aber: Es ist nicht so schlimm, wie es sich manchmal anhört. Es ist nur ein Spiel. Kein ernstes, sondern eins, dem wir mit einem ausdrucksstarken Schmunzeln begegnen können.
Manchmal erwische ich mich selbst mittendrin und höre, wie ich mit leuchtenden Augen in die Runde rufe: »Übrigens, Leute, dank dieses köstlichen Vitamin-Sirups hier ist Lea seit mehr als einem halben Jahr gesund!« (Es sind zwar nur drei Wochen seit der letzten Krankheitswelle vergangen, aber das habe ich gerade vor Begeisterung vergessen.) Nicht lange darauf irritiert Lea mich durch ihre schnupfige Nase. Husten tut sie auch noch! Scheint doch nicht so gut zu funktionieren mit diesem Zaubertrank. Und schmecken tut er ihr
auch nicht. Ich hab mich von der Werbung wohl ein bisschen täuschen lassen …
Wie auch immer: Dieses Spiel ist nur ein Teil der Kommunikation, die es in jeder Gruppe wohl so gibt. Wenn es uns gelingt, nicht alle hier vorgetragenen »Weisheiten« bierernst zu nehmen, können wir es uns dort trotzdem gut gehen lassen und uns interessante Unterhaltungen, spannenden Austausch, neue Bekannte, hilfreiche Unterstützung und den Anblick fast immer gut gelaunter Kinder gönnen.
Spielplatz der Meinungen
Meinungsaustausch zum Thema Kinder ist unter Erwachsenen – ob mit oder ohne Kinder – vielfältig und beliebt. Manchmal werden die Ansichten ein bisschen eigensinnig oder dogmatisch geäußert. Das liegt vielleicht daran, dass alle bemüht sind, das Richtige
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