Man Down
Nazis, Waffenschieber – ich kenne die Brut.“
„Selbst Nazis, Waffenschieber und sogar Kinderschänder haben einen fairen Prozess verdient, Kai.“
„Alles Nutten, diese Anwälte.“
„Ich möchte auch Rechtsanwältin werden.“
„Kannst du gleich auf den Strich gehen, dann machst du dir wenigstens nur die Muschi und nicht die Hände schmutzig.“
„ …“
„Warum schläfst du nicht, Burcak?“
„Du musst die Firma verklagen.“
„Der Meyer lacht mich aus.“
„Hör auf mit dem Rauschgift. Hol dir das Geld von der Firma!“
Ich setzte mich auf. Die Luft war stickig, aber es war nicht möglich, in der Nacht das Fenster offen zu lassen. Die Straße war zu laut.
„Burcak …“
„Du bist im Recht, Kai!“
Ich ging aufs Klo, setzte mich auf die Brille und pisste so geräuschlos wie möglich. Burcak redete mir ins Gewissen. Im Haus nebenan stritt das Ehepaar Ngubwi lautstark bei offenem Fenster. Shane und ich hatten Wetten abgeschlossen, wann wer wen absticht. Shane setzte auf die Frau, ich auf mich. „Ich bringe beide irgendwann um.“
„Nächste Woche, Donnerstag um halb zehn“, sagte Burcak.
„Wie soll ich einen Anwalt zahlen?“
„Der Typ gibt dir nen Vorschuss, du zahlst, wenn du das Geld hast.“
„Und wenn ich keins kriege?“
Sie zögerte.
„Der muss zahlen“, sagte sie leise. „Und jetzt versprich mir eins: Du schmuggelst kein Rauschgift mehr.“
„Wenn ich das Geld kriege, lass ich es. Ehrenwort.“
„Nein. Sofort.“
„Gute Nacht, Burcak.“
„SOFORT!“
„Okay, Burcak. Okay.“
„Ich hab dein Ehrenwort.“
Ich hörte auf die Geräusche, die von der Wohnung unter mir heraufdrangen. Ein Klopfen und Hämmern, wütend, brutal. Manchmal weckte mich der Typ um vier Uhr morgens mit undefinierbaren Geräuschen im Minutentakt, die schließlich in einer Lärmorgie, in einem Getöse endeten.
„Ich hab wen kennengelernt, Burcak.“
Burcak lachte. „Du bist verliebt?“
„Ich würde sterben für nen Kuss.“
„Sag das nicht. Das bringt Unglück.“
„Der Tod wäre kein Unglück.“
Für einen Augenblick war’s ganz still in der Leitung und auch still in der Wohnung darunter. Dann flüsterte sie: „Sag das nie wieder. Das ist eine Sünde.“
Sie legte auf und ließ mich in der Nacht alleine.
***
Der Marokkaner, der dieses Mal auftauchte, war überrascht, mich zu sehen. Er gab mir die Laptoptasche und steckte das Kuvert ein, ohne die Scheine zu zählen. Er fragte mich, wo Max sei.
„ Max won’t come no more. “
Er zog ein Gesicht, als hätte man ihm drei Zähne gezogen. „ My name is Abdelkader. Who the fuck are you, asshole? “
„Kai.“
„ Who are you? “
„Kai.“
„You faggot. Where is Max?“
„He quit.“
„ Max was good “ , sagte er und nickte. „ Max was damned good. “
„ I am better. Or are we talking about blowjobs? “
„ Listen, you fucking cunt “, sagte er leise, setzte sich und trat mir mit voller Wucht gegen das Schienbein, sodass ich vor Schmerzen auf die Zähne biss. „ Someone’s watching us … “
Er bestellte in Seelenruhe in dem abgefuckten Bahnhofscafé irgendnen beschissenen asiatischen Wohlfühltee. Ich verlangte ein Bier. Mein Schienbein schmerzte höllisch, ich konnte mein Bein kaum bewegen, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich sah mich um, so unauffällig wie möglich. Ich konnte niemanden Verdächtigen erkennen.
Der Marokkaner kratzte sich an der Nase und zeigte mit dem Zeigefinger Richtung Ausgang. Ich drehte mich um. Da standen ein Polizist und eine Polizistin. Die beiden glotzten zu uns rüber.
Ich spürte, wie mir der Schweiß aus allen Poren kroch. Mein Kopf war feuerheiß. Die verdammten Drogen standen unter unserem Tisch. Ich dachte mir nur: Fuck, das war’s jetzt mit Marion. Ich werde heute Nacht nicht zu Hause schlafen. Ich werde viele Nächte nicht zu Hause schlafen.
„ If you wreck this, I’ll kill you, asshole “, sagte der Marokkaner. Die Kellnerin brachte das Bier und den Tee. Meine Hände zitterten, ich war in wenigen Sekunden am ganzen Körper klatschnass.
„ If the cops come over, you take the shit and run. “
„Wohin?“
„ I take care of them. “
„Wohin soll ich rennen, verdammt?“
„ They’re coming. “
„ Fuck! “
„ Run, asshole! Run! “
Er packte die Tasche und warf sie an mein Schienbein. Ich rührte mich nicht. Die Polizisten kamen zu uns.
„ Grüezi! “, sagte der Mann und tippte zum Gruß an seine Kappe.
Ich nickte bloß mit dem
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