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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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bezahlte das Bier und den Tee mit einem 20-Euro-Schein. „Passt so.“
    Wir verließen das Bahnhofsgebäude. Ich dachte daran loszusprinten, aber wohin? Vielleicht könnte ich die Tasche ja loswerden, aber wo?
    Run.
    Dann hörten wir einen Schrei, so nen Schrei, der durch und durch geht. Wir drehten uns um und sahen auf dem Gehsteig eine Frau knien, ihre Hände waren voller Blut, ihre Jacke war voller Blut, sogar ihr Gesicht war rot, sie stieß in kurzen Abständen Schreie aus, ich dachte, sie hätte n Loch im Bauch oder ein Bein verloren. Die Bullen liefen sofort los, ich folgte ihnen, blieb aber stehen, als ich sah, woher das Blut kam. Ein großer, schwarzer Hund lag auf dem Asphalt, er zuckte und jaulte, versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihm nicht. Es sah aus, als hätte er einen epileptischen Anfall oder zu viel LSD erwischt. Aus einer tiefen Wunde an seiner Kehle spritzte Blut. Die Frau kniete neben dem Tier, warf sich auf den Hund, schrie, als wäre es ihr Kind. Sie drückte ihn an sich, aber das Blut konnte sie nicht stoppen.
    Menschen kamen angelaufen, schnell waren die Frau und der Hund umzingelt, mir wurde schlecht und schwindlig, ich machte mich davon, es fühlte sich an, als würde ich auf Watte gehen, ich hatte keinen festen Boden unter den Füßen. Ich lief die Stufen zum Eingang hoch, ohne mich umzusehen, drückte gegen die Tür und suchte auf der Anzeigetafel den nächsten Zug. Ich wollte auf keinen Fall direkt nach München fahren. Wer weiß, ob die Bullen Verstärkung anforderten oder den Zoll informierten, wenn sie merkten, dass ich weg war. Ich beschloss, den Regionalzug nach Bregenz zu nehmen, um dort umzusteigen.
    Ich überlegte mir, ein Ticket am Schalter zu kaufen, aber dafür hatte ich keine Zeit.
    Als ich mich umdrehte, stieß ich mit ihm zusammen.
    Ich wollte an ihm vorbei, aber er versperrte mir den Weg. Er war fast einen Kopf kleiner als ich, aber der hätte mich entzweigeschlagen, wenn er gewollt hätte.
    „Next time I tell you to run, you run. If you don’t do it, I’m gonna kill you, asshole. I swear to God, I’ll kill you.“
    „Wohin hätte ich denn rennen sollen?! Ich kenn mich in dem Kaff überhaupt nicht aus.“
    Der Typ starrte mich nieder.
    „ I miss Max “, sagte er und bohrte mir den Zeigefinger in die Brust. „ Max was good. You’re a piece of shit. “
    „ What the fuck have you done with that dog? “
    „ You worry about that dog? You should worry about yourself. “
    „ You are a psycho. “
    „ I saved your fuckin’ ass “, sagte er und trat mir wieder gegen den Fuß. „ Next time Abdelkader tells you: run – you run, you sonofabitch. “
    „Jaja, ich hab’s verstanden, verdammt.“
    „ What did you tell those cops? “
    „ Nothing. “
    „ You talked to them. “
    „ I did not say anything. “
    „ What did you tell them about me? “
    „I told them I had no fucking clue who you were.“
    Er warf mir einen letzten verächtlichen Blick zu, dann verpisste er sich, und ich humpelte zum Bahnsteig.
    Erst als wir Lindau und den Bodensee hinter uns gelassen hatten, fühlte ich mich wirklich sicher. Ich weiß nicht, wer mir mehr Angst eingejagt hatte – die Bullen oder der Marokkaner. Vielleicht auch die Tatsache, dass ich so nem Job nicht wirklich gewachsen war. Ich war kein harter Hund, ich war nicht geschaffen für diese Scheiße.
    Der Zug rauschte nur so dahin, ich lehnte mit dem Kopf an der Scheibe. Ich sah den Hund im Todeskampf vor mir. Wäre ich gerannt, als die Bullen auftauchten, wäre er noch am Leben. Er hätte nicht sterben müssen.
    Und auf einmal erfüllte mich eine große Leere. Ich verspürte eine übermächtige Antriebslosigkeit, konnte nicht einmal mehr meine Finger bewegen, und es kostete mich Riesenkräfte, die Augenlider offen zu halten. Alles schien sinnlos, absolut sinnlos. Jedes Sein, jedes Leben, jedes Tun. Alles sinnlos, alles umsonst. Irgendwann würde ich genauso enden wie der arme Köter. Wir würden alle sterben. Ich wünschte, der Schmerz hätte mich dazu gebracht, dem Mann auf dem Sitz gegenüber, der seit einer Stunde in sein Handy plärrte, das Scheißding aus der Hand zu schlagen. Ich wünschte, ich hätte aufstehen können, die Tür öffnen und rausspringen, aber ich konnte nichts tun.
    Ich bin mir sicher, dass mein Leben in Gewalt enden wird, Florian. Dass ich jemanden töten werde oder dass mich wer totschlägt. Ich fühle das, und dieses Gefühl ist so stark, dass es für mich Gewissheit ist: Mein Leben

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