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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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haben richtig große Dinger.“
    „Warum bist du dann nicht längst in der Jugendherberge?“
    Er stand da, die Hände in den Hosentaschen, wirbelte mit nervösem Zucken seine Haare aus dem Gesicht. „Senf sagt, ich muss die Stellung halten.“
    Ich beobachtete durch das Fernglas Marion, die ohne Helm und im Minirock auf einer Vespa angefahren kam. Es war die Vespa, die in Rugbys Zimmer gestanden war.
    „Das ist eine Lambretta, Baujahr 1969“, sagte Rugby, der plötzlich neben mir stand und mir die Laptoptasche abnahm. „200 cm³, 12 PS .“
    „Wow.“
    „Sie ist heiß, nicht?“
    „Ich würde sterben für nen Kuss“, sagte ich leise.
    „Ich bin zu schwer für meine Luisa“, sagte Rugby, schob seinen Pullover hoch und kratzte sich an seinem dicken, behaarten Bauch. „Ich darf nicht mehr fahren.“
    „Und damit sie nicht einrostet, fährt Marion.“
    „Marion“, sagte Gugl im selben Tonfall wie ich. „Wie du den Namen aussprichst …“
    „ …“
    „Dir gefällt unser Mädel von der Alm, hm?“ Rugby fuhr mir über die borstigen Haarstoppeln und lachte. „Mach dir keine Hoffnungen. Tu’s nicht.“
    Rugby hielt einen Vortrag über seine Lambretta, dem ich nicht folgte, mich interessierte nur sie. Sie ging die Stufen zum Eingang hoch, sie blickte zu unserem Fenster. Ich kannte den Blick. Er versprach alles.
    Ich kannte den Blick.
    Ich sah unsere Zukunft.
    Ich wusste, wir würden uns verlieben. Uns umarmen, uns küssen. Ich wusste, wir würden im Bett landen. Hand in Hand durch die Stadt spazieren. Uns betrinken, bekiffen, ablecken.
    Ich sah in die Zukunft.
    Den ersten Kuss. Den ersten Fick. Den ersten Streit.
    Den letzten Streit.
    Den Anfang, den Abschied.
    Ich ahnte den Liebesrauch und schmeckte die Tränen.
    „Darf ich dir die Haare schneiden?“, sagte ich, als Marion in der Gemeinschaftsküche im ersten Stock eine Milchpackung und ein Stück Käse in ihr Kühlfach gab, und berührte ein paar Haarspitzen.
    „Warum denn das?!“
    „Mit kurzen Haaren würdest du aussehen wie Cameron Diaz.“
    „Ha!“, lachte sie und schubste mich beiseite, damit sie die Tür schließen konnte. „Ich weiß, warum du das sagst.“
    „Du könntest ihre kleine Schwester sein.“
    „Ja, ich habe wirklich etwas mit ihr gemeinsam: Den großen Mund! Aber das ist auch alles.“
    Marion nahm einen Joghurtbecher aus dem Kühlschrank, zog den Deckel ab und leckte darüber.
    „Was studierst du?“, fragte sie.
    „Ich studiere nicht.“
    „Du studierst nicht?“
    „Ich hab mal studiert. Aber nur drei Semester.“
    „Hat keinen Spaß gemacht?“
    „War ganz okay.“
    „ Aber? “
    „Ich kann nicht lange sitzen. Da dreh ich durch. Ich muss arbeiten, verdammt. Mit meinen Händen! Ich muss schwitzen, ich muss sehen, wie etwas entsteht, dieses abstrakte Blabla da in den Hörsälen, das ist nichts für mich.“
    „Wow“, sagte die Inderin, die an einer der Herdplatten in einem winzigen Topf schwarze Spaghetti kochte. Sie hüpfte auf einem Bein zu mir und griff an meinen Bizeps. „Leute, hier steht der letzte working class hero !“
    „Und was machst du jetzt?“, fragte Marion.
    Sie stand vor mir und lächelte, sie stand da und lächelte, und ich wusste nicht, was ich tun sollte, was ich antworten sollte. Ich war nüchtern, absolut nüchtern, aber sie machte mich betrunken, sie machte mich high, ich stand völlig neben mir. Ich schämte mich vor ihr in meiner Jacke und in meinen Jeans. In dem alten Zeug, das seit Wochen nicht mehr gewaschen worden war, weil die verdammte Waschmaschine im Keller defekt war.
    Sie war kleiner als ich, n kleines bisschen kleiner als ich. Aber sie kam mir wie ein Riese vor.
    Ich war ihr ausgeliefert.
    Beinahe war ich froh, als Rugby in die Küche platzte. Wenn man keinen Job hat, ist die Frage nach dem Job diejenige, die man am meisten fürchtet.
    Rugby trug eine braune Cordhose und ein weißes Schafsfell über seinem nackten, behaarten Oberkörper. Er grinste. Natürlich, er grinste immer, aber es kam von Herzen, das Grinsen, ich mochte Rugbys Grinsen. Er checkte die Lage, dann kam er schnurstracks auf mich zu und umarmte mich.
    „Das ist Tierquälerei, Rugby!“, sagte die Inderin.
    „Das Schaf ist mausetot.“
    „Du verletzt die Totenruhe!“
    „Auf zur Bar, Kai! Trinken wir auf das tote Tier!“
    Die Inderin packte meine linke Hand: „Wenn er dir Pilze andrehen will, sag nein. Sonst trägst du bald auch tote Tiere auf deiner nackten Haut.“
    Ich wusste sofort, dass ich das

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