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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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Nervenklinik.
    „Auf keinen Fall, Herr Samweber“, sagte Rensing und blickte mich kurz an. „Es gibt keine aussichtslosen Fälle.“
    „Keine Chance, ich schwör.“
    „Alles okay?“, fragte Burcak leise und sah mich misstrauisch an.
    „Kaffee?“, fragte Rensing.
    „Danke“, sagte ich und schüttelte viel zu heftig den Kopf. Ich war völlig zugedröhnt, hatte mir bei Shane die Kante gegeben. Wodka-Red Bull bis zum Abwinken, ein bisschen Gras, ein paar E’s und Schmerztabletten, alles durcheinander, es war ein großer Spaß gewesen, aber jetzt fühlte ich mich wie im freien Fall. Ich musste das hier hinter mich bringen, ehe ich auf den Boden klatschte.
    Burcak wirkte nervös. Vielleicht schämte sie sich für mich. Ich checkte meinen Atem, er schien okay. Ich sah an mir runter und überprüfte mein Outfit, aber ich sah nicht abgefuckter und dreckiger aus als sonst. Im Gegenteil. Ich trug eine übergroße Sportjacke, die mir Shane geliehen hatte, damit ich nicht mit meiner Bomber in der Kanzlei auftauchen musste.
    Wir waren im elften Stock eines protzigen Büro-Neubaus, an dessen Eingänge bewaffnete Securitymänner standen.
    „Darf ich mal aus dem Fenster schauen?“, sagte ich, ehe Wenzel loslegen konnte.
    „Ich habe leider schon in zwanzig Minuten den nächsten Term…“
    Das Fenster war mannshoch. Der Ausblick gigantisch. Es schien, als würde man auf München hinunterschauen, als befände man sich im höchsten Gebäude der ganzen verdammten Stadt. Am blauen Himmel standen zwei mächtige weiße Wolken.
    Wir befanden uns im Herzen der Reichen. Im Herzen der Mächtigen.
    „Scheiße“, sagte ich. „Da könnten Sie Eintritt verlangen.“
    Die Wolken schienen so nahe.
    Wie hatte ich das vermisst.
    Den Wolken, dem Himmel näher zu sein.
    „Ich habe mich schon so daran gewöhnt, dass der Ausblick nichts Besonderes mehr für mich ist.“
    „Wie fühlt sich das an?“
    „Ich verstehe nicht?“
    „Zu denen ganz oben zu gehören.“
    „Ich glaube nicht, dass ich zu denen ganz oben gehöre.“
    Ich wollte da zum Fenster raus.
    „Haben Sie kein schlechtes Gewissen, wenn Sie so viel Kohle verdienen?“
    „Kai …“, sagte Burcak, aber ich fuhr fort: „Ich habe mich jahrelang gefragt, warum es immer mehr Millionäre und Milliardäre gibt, während wir da unten ins Bodenlose fallen.“ Rensing wollte mich unterbrechen, aber ich ließ mich nicht unterbrechen: „Wo sind die ganzen verschwundenen Milliarden, die jetzt an Steuergeldern in die Banken gesteckt werden? Wer hat die denn? Habt ihr euch die unter den Nagel gerissen?“
    „Die haben zum Teil nie existiert“, sagte Rensing.
    „Scheiße, wer hart arbeitet, der soll gut verdienen, aber harte Arbeit alleine kann niemals all den Reichtum erklären, den ihr da oben ansammelt.“
    „Kai, bitte …“
    „Ich habe auch hart gearbeitet, Burcak, du weißt das, ich habe Überstunden ohne Ende gemacht, und was habe ich jetzt? Ich habe Schulden.“
    „Und genau das wollen wir ändern, Herr Samweber. Wenn Sie sich bitte setzen würden!“
    Ich schloss die Augen und träumte mich zurück auf das Schlossdach. Ich vermisste die Turmfalken und die untergehende Sonne im Westen, wenn wir zusammenpackten und mit dem klapprigen Bus nach Hause fuhren. Den Schweiß auf der Haut, der salzig schmeckte, wenn man ihn ableckte. Die Müdigkeit in den Knochen, die leicht brennenden Augen, das Bier auf der Couch vor der Kiste am Abend, ja, verdammt! Ich habe diesen Job geliebt!
    „Herr Samweber?“
    Ich möchte mein früheres Leben zurück. Meinen Job. Ich möchte wieder gesund sein. Ich will zurück auf ein verfluchtes Dach. Und keinen Ärger mit Abdelkader. Keinen Ärger mit den verfluchten Bullen.
    „Kai …“, flehte Burcak.
    „Ich sollte Ihre Adresse wissen. Und Ihr Geburtsdatum.“
    Ich sah noch einmal auf die Häuser der Stadt.
    „Ihr fresst uns“, flüsterte ich und berührte mit meiner Stirn das Fensterglas. „Ihr fresst uns bei lebendigem Leib.“
    „Ä-hm. Herr Samweber?!“
    „Ihr habt uns in euren Klauen und es ist euch egal, wenn wir im Dreck krepieren.“
    „Herr Samweber, ich sollte Ihre Daten …“
    „Ihr habt mich zum Krüppel gemacht, ihr gottverdammten Blutsauger!“, sagte ich.
    „Ich will Ihnen ja helfen, Herr Samweber. Ich bin auf Ihrer Seite. Beruhigen Sie sich.“
    Ich öffnete das Fenster, und ehe die beiden reagieren konnten, stand ich draußen auf der Brüstung. Unter dem Fenster war ein kleiner Vorsprung, nicht mehr als zehn,

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