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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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und den Stoff, sonst nichts mehr. Ich leg eine Kassette in den alten Rekorder, ja!, es ist immer noch derselbe, den Angela uns damals aus den USA mitgebracht hat, ich drehe auf 10, nur für diesen Augenblick lebe ich. Denn nur dieser Augenblick gehört mir, mir ganz allein.
    Es ist meine Musik, mein Stoff, mein Rausch, es sind meine Gefühle, und alles da draußen, was ihnen gehört, das können sie behalten, das geht mir am Arsch vorbei. Hier drinnen kann mir keiner wehtun. Hier drinnen regiere ich. Ich lege das Eisen neben mich, damit ich jedem die Rübe wegballern kann, der es auch nur wagt, meine Wohnung zu betreten.
    Oh ja, Florian, ich liebe den Kick, den Rausch. Er hält mich am Leben und macht mich kaputt. Mit jedem Rausch verliere ich ein Stück meiner Seele und meiner Kraft und meines Willens. Verliere ich einen Teil meiner Lebensfreude. Das ist eine Kapitulation, oh ja. Eine Kapitulation auf Raten. Der Rausch ist verlogen und hinterlistig. Er gaukelt mir vor, lebendig zu sein, voller Leidenschaft und Feuer, und ich glaube ihm, und wenn ich dann wieder runterkomme, wird mir klar, dass ich nur zu einem billigen Porno gewichst habe und dass die heiße Braut nur auf dem Bildschirm existierte.
    Ich glaube nicht, dass ich Schmerz jemals ohne Drogen ertragen werde können.
    Ich wünschte, ich wäre stärker, aber ich weiß, ich bin es nicht.
    Ich ergebe mich lieber den Drogen als dieser Welt.
    ***
    In der Walpurgisnacht fiel sie über mich her. In der Küche, im dritten Stock des Studentenheims. Ich hatte gerade eine weitere Fahrt in die Schweiz hinter mich gebracht, wieder ein bisschen was von meinen Schulden abgestottert. Senf lag sturzbesoffen, nur in Boxershorts, auf der Couch vom Sperrmüll vor dem Fernseher, während wir uns hinter dem Küchenschrank die Kleider vom Leib rissen. Ich hatte den Moment hinausgezögert, hatte Angst, nach über zwei Jahren ohne Sex hatte ich Angst, viel zu früh zu kommen, hatte ich Angst, mich zu blamieren, aber sie zog mir die Hose runter, nahm ihn in den Mund und lutschte ihn, und dann waren wir auch schon in 69er-Stellung, bis wir beide kamen. Wir hatten keine Kondome und wollten niemanden danach fragen.
    Keiner sollte von uns wissen.
    Marion zitterte am ganzen Leib. Nur mit Mühe kam sie auf die Beine und konnte sich anziehen.
    Ich versuchte erst gar nicht aufzustehen. Ihr Arsch über meinem Kopf hatte mich ausgeknockt. Ich hatte das Gefühl, dass jedes Leben aus mir gesaugt worden war. Ich war nur mehr Hülle. Das Beste hatte meinen Körper verlassen. Das Beste war jetzt in Marions Mund.
    Sie übergab sich ins Waschbecken.
    „Tut mir leid“, stöhnte sie. „Das ist der Alk. Nur der Alk. Du darfst das nicht persönlich nehmen, es ist nicht so, dass … oh Gott, ich habe einfach zu viel getrunken.“
    „Was hast du da?“
    „Was?“
    „Über deinem Hintern! Die Narbe!“
    „Nach was sieht es denn aus?“
    „Nach einer Haiattacke.“
    „Attacke ist richtig.“
    „Erzähl mir vom Hai.“
    „Ich möchte nicht darüber sprechen. Nicht jetzt.“ Sie beugte sich runter zu mir, legte ihre Hand auf ihren Mund, dann die Hand auf meinen Mund.
    „Warum küsst du mich nicht?“
    „Ich habe mich gerade übergeben.“
    „Na und?“ Ich packte sie, zog sie zu mir und küsste sie. Sie biss mir in die Oberlippe, lächelte und stand wieder auf.
    „Sie ist furchtbar hässlich, die Narbe, nicht wahr?“
    „Nein. Sie ist nicht hässlich. Aber sie macht einem Angst, wenn man nicht weiß, was passiert ist.“
    „Da kann ich gar nichts mehr machen, haben die Ärzte gesagt. Das bleibt so. Erst wollte ich die unbedingt wegoperieren, aber der Doktor hat mir davon abgeraten.“
    „Willst du mir nicht sagen, was geschehen ist?“
    „Nein“, sagte sie nach kurzem Zögern. „Möchte ich nicht.“
    „War’s ein Kerl? Oder ein Unfall?“
    „Ich möchte nicht darüber reden.“
    Ich lag da auf dem Küchenboden, den Arm über die Augen gelegt, um das grelle Licht der Neonlampen abzuwehren, und saugte das Blut aus meinen Lippen.
    „Das mit deinem Bruder, das tut mir leid“, sagte sie, als ich dachte, sie wäre bereits gegangen.
    „Woher weißt du von meinem Bruder?“
    „Von Shane.“
    „Was tut dir leid?“
    „Dass ihr nicht zusammen aufgewachsen seid. Es ist so schlimm, wenn sich die Eltern trennen.“
    „Das ist lange her.“
    „Das vergisst man nicht.“
    Ich blinzelte. „Woher willst du das wissen? Ist deine Familie auch so am Arsch?“
    Sie musterte mich, als würde sie

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