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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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meinte: Willst du bis Weihnachten hier rumhängen? Unsere Auftragsbücher sind voll.“
    „Und das heißt?“
    „Es war klar, dass er nicht wollte, dass wir uns angurten.“
    „Aber explizit gesagt hat er es nicht?“
    „Nein. Aber alle wussten, dass er es so meinte.“
    Ich habe in jenen Monaten nach dem Sturz über neun Kilo verloren. Ich konnte keinen Sport machen. Ich war seit dem Unfall nie mehr Laufen. Nie mehr Schwimmen. Alles, was ich tun konnte, war, diese blöden Kurzhanteln zu stemmen, die meine Oberarmmuskeln wie Luftballons aufpumpten, während der Rest verkümmerte.
    Rensing interviewte mich etwa fünfzehn Minuten zu dem Fall. Ohne Pause. Konzentriert, ruhig, er nahm alles auf, machte sich Notizen. Am meisten interessierten ihn das Arbeitsverhältnis und die Leasingfirma, die nicht mehr existierte, im Grunde niemals existiert hatte. Burcak saß regungslos neben mir. Dieser Kerl war ein Profi. Jede Frage hatte Hand und Fuß.
    „Und?“, sagte Burcak, nachdem sich Rensing bedankt und das Aufnahmegerät, das nicht größer war als eine Zigarettenschachtel, eingesteckt hatte.
    Er atmete tief durch, wechselte die Brille und sagte: „Ich fürchte, die Chancen stehen schlecht.“
    „Aber …“, sagte Burcak, und dann legte sie los. Die beiden tauschten minutenlang juristisches Kauderwelsch aus. Ich verstand nur Bahnhof. Für mich war die Sache gelaufen, aber Burcak hängte sich richtig rein. Für ne Sekretärin nahm sie sich ziemlich viel raus, fand ich, aber so war Burcak nun mal. Die konntest du nicht klein kriegen.
    Am Ende resignierte sogar Rensing, er kapitulierte vor der kampfeswütigen Frau.
    „Okay“, sagte er. „Ich werde schauen, was sich machen lässt.“
    Rensing sah uns beide an. Dann auf seine Uhr. Dann auf seinen Blackberry. Er stand auf und sagte: „Den Chef der Leasingfirma können wir vergessen, der ist bestimmt längst untergetaucht. Unser Adressat ist Herr Meyer. Wir sollten versuchen, eine außergerichtliche Lösung zu erzielen.“
    Burcak sah mich an. „Okay?“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Freiwillig zahlt der Meyer keinen Cent.“
    „Ich werde mit ihm reden“, sagte Rensing, sprang auf, öffnete die Tür und streckte mir die Hand entgegen. Dann sah er auf meine Laptoptasche. „Was arbeiten Sie denn zurzeit, wenn ich fragen darf?“
    „Ich bin Königlich Bayerischer Graslieferant eines Studentenheims.“
    „…?!“
    „Ich verticke Drogen“, sagte ich, klopfte ihm auf die Schulter und zwinkerte ihm zu. Burcak strafte mich mit einem Killerblick. Sie ahnte wohl, dass die Tasche in meiner rechten Hand tatsächlich randvoll mit Gras war. Aber sie konnte nicht wissen, dass ich den Bullen in der Schweiz ihre Handynummer gegeben hatte, konnte nicht ahnen, dass mich die Dealer gewarnt hatten, nicht noch einmal Scheiße zu bauen.
    Erinnerst Du Dich, wie Angela uns immer eingetrichtert hat, keine Drogen zu nehmen? Wer die einmal nimmt, hat sie gesagt, der ist ein Leben lang süchtig. Der kommt nie mehr davon weg. Ich hatte als Kind jahrelang Schiss, jemand könnte mir das Zeug heimlich geben. Ich hatte panische Angst vor jedem, der mir was zu essen anbot – und wenn es nur eine Banane war oder ein Gummibärchen. Ja, Angela hat mich gewarnt, und jetzt hat es mich doch erwischt. Ich kann nicht mehr leben ohne das Zeug. Und warum sollte ich auch aufhören mit dem Wodka und dem Gras und den Pillen? Weil sie früher oder später jeden ruinieren? Ich bin doch eh schon pleite, außerdem krieg ich von Shane fast alles umsonst, also was soll’s. Weil es früher oder später meinen Körper zerstören wird? Vorher macht mich die Dreckluft von der Straße und der Verbrennungsanlage krank, macht mich der Lärm der Nachbarn und der Autos krank, macht mich das billige Fast-Food-Fressen krank.
    Nein, ich werde nicht aufhören. Ich kann es nicht, ich will es nicht. Ich habe Dämonen in mir, und sie hören nur auf, mich bei lebendigem Leib zu fressen, wenn ich das Zeug nehme. Ich will tanzen in den Untergang. Mit einem Lächeln im Gesicht den Löffel abgeben. In dem Moment, wo ich beschließe, einen Joint zu drehen oder diese verfluchten Pillen zu schlucken, klinke ich mich aus der Welt aus. Es gibt nur noch mich. Mich und den Schmerz. Mich und den Rausch. Dazwischen liegen nur Minuten. Ich verdunkle das Zimmer mit einem Karton, schalte das Handy auf lautlos, ich möchte alleine sein, mit mir und dem Stoff. Ich bereite alles vor, ganz langsam, ganz relaxed, es gibt ja nur noch mich, mich

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