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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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mich zum ersten Mal sehen, als wäre ich ein Fremder. „Weißt du, dass es keinen einzigen Serienmörder gibt, der aus einer intakten Familie kommt? Keinen Serienmörder, der eine schöne Kindheit hatte?“
    „Was hast du mit Shane zu tun?“
    „Er war mit meinem Bruder im Gefängnis.“
    „ Dein Bruder war im Knast?“
    Ich ließ sie los, knüpfte meine Levis zu und stand auf.
    „Shane hat dir nie davon erzählt?“
    „Ich habe das Gefühl, ich weiß vieles über Shane noch nicht.“
    Marion ging zur Glastür und drehte sich noch einmal um. „Mein Bruder ist ein Idiot, aber er ist mein Bruder. Ich würde sterben für ihn.“
    Ich wollte eigentlich nach Hause, aber ich traf im Stiegenhaus auf Rugby und ließ mich in meinem Übermut zu ein paar Pilzen überreden. Ich nahm die dreifache Menge und spürte lange gar nichts.
    „Sie ist ne Nutte“, sagte Rugby.
    „Wer ist ne Nutte?“
    „Marion.“
    „ …“
    „Ne Nutte oder promiskuitiv.“
    „Deine Mutter heißt Marion?“
    „Meine Mutter?“
    „Du bist ein Hurensohn, Rugby?“
    Rugby hatte keine Augen mehr. Sein Gesicht war angeschwollen, er sprach langsam, und alles, was sich an seinem Körper bewegte, war sein Mund. Er saß in einem abgefuckten Riesensessel und ich auf seinem Bett.
    „Du hast sie gefickt“, sagte er.
    „Wen?“, sagte ich.
    „Dieses verdammte Studentenheim hat Augen und Ohren überall, Kai.“
    Ich spürte nichts von den Pilzen, ich wartete und wartete, aber nichts geschah.
    „ Precious_ 19 … “
    „ …?“
    „ Gerne auch mit zwei oder drei Männern gleichzeitig. “
    „Ich versteh kein Wort.“
    „ Naturgeil. “
    „Ich hau jetzt besser ab.“
    „U-Bahn fährt keine mehr.“
    „Ich geh zu Fuß.“
    „Marion ist Precious_ 19 .“
    „Ich habe keine Ahnung, von was du laberst, Rugby.“
    „Kennst du poppen.de? Das ist so ne Sex-Kontaktseite … naja … und Gugl hat da n Mädel entdeckt, das ihm bekannt vorkam.“
    „Scheiße, Rugby, du bist zugedröhnt.“ Ich stand auf, ich spürte immer noch nichts von dem Zeug. Rugby saß wie tot auf seinem Thron.
    „Poppen.de“, sagte er. „Hier! Setz dich an den Computer. Ich habe ihre Profilseite unter Favoriten gespeichert.“
    Mit einem Mal war mir richtig schlecht. Entweder Rugby redete irres Zeug oder ich würde etwas sehen, das ich nicht sehen wollte.
    Meine Neugierde war stärker als meine Angst. Ich setzte mich vor den PC und suchte unter Favoriten eine Seite mit poppen.de. Als ich den Link anklickte, verlangte die Website ein Passwort.
    „Cocaine“, sagte Rugby. „Das Passwort heißt Cocaine.“
    „Und der Benutzername?“
    „Rugby“, röchelte Rugby, der langsam, aber sicher ins Koma fiel.
    Und da waren Fotos von einem Mädchen, das aussah wie Marion, Nacktfotos von einem Mädchen, das dieselbe Narbe über dem Hintern hatte, sie nannte sich Precious_ 19 , sie stand auf Oralsex, auf Sex mit zwei oder drei Männern, und als ich Rugby fragte, wer das sei und was das soll, da brüllte er vor Lachen, und ich spürte, wie die Pilze einfuhren, wie sie mich niedermachten, ich kroch auf allen vieren aus dem Zimmer, kam wieder auf die Beine und taumelte in den ersten Stock. Ich wollte noch mal zu Marion, wollte mit ihr reden, aber als ich an Tür 113 klopfen wollte, stand da Precious_ 19 auf der Tür.
    Precious_ 19.
    Ich wischte es weg.
    Precious_ 19.
    Ich wischte es weg, aber es schien sich in die grüne Holztür eingebrannt zu haben.
    Precious_ 19.
    Ich ging völlig verstört den Gang entlang Richtung Ausgang. Meine Schuhe klebten auf dem Boden von all dem verschütteten Bier, überall lagen Scherben und Zigarettenstummel. Es stank. Nach Rauch. Nach Schweiß. Nach Gras. Nach Alk. Nach Kondomen. Ich ging die Treppe runter, vorbei an der Rezeption, hinaus. Und dann lief ich los. Ich rannte. Ja, ich rannte. Das erste Mal seit meinem Unfall. Ich lief los und ich humpelte nicht – ich rannte. Ich war kein Krüppel mehr, ich konnte laufen und ich wollte laufen, was gibt es Schöneres als laufen, laufen, laufen. Ans Ende der Welt.
    Ich lief ein paar hundert Meter, dann war der Schmerz zu stark. Ich konnte keinen Schritt mehr gehen, jede Bewegung war das Ende, ich wollte schreien, aber heraus kam nur ein Stöhnen. Ich setzte mich auf die Stufen in einem Hauseingang und wartete, bis es mir wieder besser ging.
    Precious_ 19.
    Ich trottete weiter, verirrte mich in der Stadt, verirrte mich in meinen Gedanken, fand nicht mehr nach Hause, nicht mehr zu mir. Ich rief Shane an, aber

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