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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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uralt.“
    „Und Sie sind?“
    „Sein Neffe.“
    „Und sein Neffe heißt?“
    „Sein Neffe? Welcher Neffe?“
    „Ihren Name wüssten wir gerne, Kruzifix!“
    „Kai …“
    „Kai wer?“
    „Kai …“
    „Ihr Nachname!“
    Keine Ahnung.
    „Wie heißen Sie? HALLO ! Hören Sie mich? Verstehen Sie mich?“
    Ich wusste meinen Namen nicht mehr. Ich wusste nicht mehr, wie ich heiße. Wer ich bin.
    Ich fing an zu kichern, ich bekam mich gar nicht mehr ein.
    „IHR NACHNAME!“
    „Samweber“, kam es plötzlich aus meinem Mund, aber der Name klang mir fremd und sowohl der Name als auch der Mund, der ihn aussprach, schienen nicht zu mir zu gehören.
    „Kai Samweber?“
    „Kai Samweber“, wiederholte ich leise, und endlich bekam ich auch die Augen wieder auf.
    „Haben Sie sich den jetzt ausgedacht?“
    „ …“
    „Dürfen wir uns in der Wohnung mal umsehen?“
    „Nein!“
    „Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit.“
    Die beiden wollten an mir vorbei, aber ich klammerte mich an eines der vier Bullenbeine. Ich ließ erst los, als der zweite Bulle bereits am Fenster war. Ich lag zusammengekauert auf dem Boden und wartete, was geschehen würde. Ich wusste nicht, ob das Eisen irgendwo rumlag oder ob ich es unter der Matratze versteckt hatte.
    „Sie bluten.“
    „Ich blute?“
    „Ihre Hände!“
    „Meine Hände!“
    „Hören Sie auf! Sie schmieren sich ja alles ins Gesicht.“
    „Oh Gott, ich blute. Sehen Sie?! Ich blute!“
    Der zweite Bulle kam zurück. „Da ist auch Blut auf dem Boden.“ Er glotzte mich an. „Was ist mit Ihrem Ohr?“
    „Meinem Ohr?“
    „Haben Sie Ratten im Haus?“
    „Ja, Ratten.“
    „Hören Sie auf uns zu verarschen.“
    „Nein, nein. Über mir. Fette, braune Ratten. Ein ganzes Nest!“
    „Was immer das war – Sie sollten die Tetanusimpfung auffrischen lassen. Das sieht richtig übel aus.“
    Sie betrachteten meine Hände, die Schnitte waren nicht tief, waren nicht böse, ich musste in kein Krankenhaus, einer der beiden verpasste meiner rechten Hand drei große Pflaster.
    „Bitte etwas weniger Krach, Herr Samweber. Legen Sie sich hin und schlafen Sie Ihren Rausch aus.“
    „Ich bin topfit.“
    „Wie viel haben Sie getrunken?“
    „Ich lege mich hin, alles okay.“
    „Nehmen Sie Drogen?“
    „Ich lege mich hin, versprochen!“
    „Lassen Sie mich mal Ihre Pupillen kontrollieren!“
    „Ich liege ja schon! Sehen Sie?! Ich liege!“
    Einer der beiden fing an, die Scherben mit den Schuhen in eine Ecke zu bugsieren. Dabei schüttelte er den Kopf und bückte sich hin und wieder, um ein besonders großes Teil beiseitezulegen.
    „Haben Sie einen Staubsauger, Herr Samweber?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Sie können hier nicht barfuß rumspazieren. Da sind überall Scherben!“
    „Ich habe keinen Staubsauger.“
    „Einen Besen? Haben Sie einen Besen, Herr Samweber?“
    Wortlos stand ich wieder auf, ging ins Klo und kam mit einem Besenstiel zurück, an dem zwar keine Borsten mehr hingen, dafür aber jede Menge Spinnweben. Ich fing an zu kehren, aber ich verteilte nur Spinnweben über die Scherben. Sie nahmen mir den Besenstiel ab und bestanden darauf, dass ich mir Turnschuhe anzog. Mit den Turnschuhen legte ich mich auf die Matratze.
    „Sie stehen erst wieder auf, wenn Sie nüchtern sind, verstanden? Und dann machen Sie die Sauerei hier sauber, sonst werden Sie sich garantiert verletzen.“ Er sagte das mit lauter Stimme und so langsam, als wäre ich n Kind oder n Behinderter.
    Ich nickte artig, steckte meinen Daumen in den Mund und schloss die Augen.
    Sie verschwanden.
    Als ich nach kurzem, schrecklichem Schlaf aufwachte, lag das Handy neben mir. Ich sah auf das Display.
    Es war erst 15:34 Uhr.
    Und wenn Shane Recht hat. Und ich hier niemals rauskomme? Wenn ich für immer so leben muss? Wenn ich nie wieder einen Job finde, der mir Spaß macht? Wenn ich für immer von Hartz IV leben muss? Wenn ich immer tiefer im Drogensumpf versinke? Was, wenn wir alle untergehen? Wenn wir alle Pleite gehen, alle bis auf die da oben, die alles eingesackt haben und sich jetzt den Arsch ablachen, die Nase rümpfen über uns Dummköpfe, den Pöbel im Dreck? Wenn sie ihren Reichtum mit Klauen und Zähnen verteidigen, mit ihren Privatarmeen und ihren Lobbyisten? Was, wenn mein Körper nie mehr gesund wird, wenn die Schmerzen im Rücken nie wieder verschwinden und ich für immer auf sie angewiesen bin?
    Auf ihr Geld.
    Ihre Ärzte.
    Ihre Medikamente.
    Ihre Reha-Stationen.
    Für immer auf ihre

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