Man Down
Gnade.
Auf den Alk, die Schmerztabletten, das Gras.
Ich will nicht aufs Abstellgleis.
Kein fuck Mitleid.
Ich will kein Sozialfall werden. Lebenslang.
Ich scheiß auf die Gnade, auf das Geld, ich scheiß da drauf.
***
Die Partys im Studentenheim eskalierten. Immer wieder kam es zu Polizeieinsätzen. Wegen dem Lärm im Haus und auf der Straße, wenn die Leute zur U-Bahn oder kotzen gingen. Rugby versuchte, die Partys in den Griff zu bekommen, aber es kamen immer mehr Leute von auswärts. Aus dem internen, kleinen Küchenfest war nun endgültig eine große Sache geworden.
Mehr Leute bedeutete – mehr Ärger. Und mehr Drogen. Die Lieferungen aus der Schweiz würden künftig doppelt so groß sein als bisher, aber ich wagte es nicht, mich zu beschweren. Ich erledigte meinen Job. Ich hatte die Hälfte der Fahrten hinter mir und ich wollte alles, bloß keinen Ärger. Natürlich war mir klar, dass sich mit jeder Fahrt in die Schweiz das Risiko erhöhte, ertappt zu werden. Wenn die Schweizer Bullen mich für verdächtig hielten – sie hatten ja Burcaks Telefonnummer –, würden früher oder später ihre deutschen Kollegen an meine Tür klopfen.
Ich wollte meinen Job erledigt haben, ehe das geschah. Ich wollte nicht mit einer Laptoptasche voller Gras erwischt werden.
Als Marion wieder zurück war, verbrachte ich die Zeit fast nur noch im Heim. Sobald Nelly auf der Uni war, rissen Marion und ich uns die Kleider vom Leib. Wir mussten nachholen, was wir in den zwei Wochen verpasst hatten. Manchmal taten wir es vier-, fünfmal an einem Tag. Wir konnten nicht genug kriegen. Wir schliefen ein, ich wachte auf, sie hatte meinen Schwanz im Mund. Wir schliefen ein, ich weckte sie und sie war nass, als wäre sie bereits gekommen.
Wir nahmen den Sex nicht ernst, wir lachten, wir blödelten, sie telefonierte mit ihrer Mutter, erzählte von einer Prüfung und den versalzenen Nudeln auf der Mensa, während sie mich ritt, es war alles so leicht, alles so schön.
Marion und ich tranken beinahe jeden Tag, aber wir brauchten nicht viel, um high zu sein. Wir waren glücklich. Ich war glücklich. Ich wollte nachts nicht einschlafen, der Schlaf war vergeudete Zeit, ich lebte doch den schönsten Traum. Ich wachte auf und liebte das Leben, ich wachte auf und stand sofort unter Strom und wollte mehr. Ich war so hungrig. Nach ihrem Körper, nach ihren Küssen, ihrem Stöhnen, ihrem Lachen. Ich war hungrig. Nach Wodka und Bier, nach der Musik.
Wir waren Tiere, wilde, wilde Tiere.
Ich wollte tanzen, trinken, lachen, weinen, ficken, als wäre jeder Tag der letzte und jede weitere Nacht nur noch ein Abschiedsgeschenk.
Ich küsste den Schmetterling auf ihrem Arsch. Sie biss meine sterbende Löwin, bis sie blutete.
Meistens schlief ich bei Rugby, weil ich Nelly nicht verärgern wollte. Die Zimmer waren für zwei Personen schon viel zu klein. Nelly meinte, es wäre okay, aber Marion und ich fanden das nicht. Bei Rugby schlief immer eine kleine Armee. Untote. Zombies. Ausgespuckt von der heißen Nacht. Manche schliefen auf dem Gang oder – wenn es warm genug war – auf den beiden Tischtennistischen hinter dem Heim.
Shane machte sich rar, wie er mir angekündigt hatte. Vor lauter Angst, die Bullen könnten ihn orten, ließ er sogar sein Handy ausgeschaltet. Also schrieben wir uns E-Mails aus Internetcafés, damit niemand unsere IP -Adressen feststellen oder eine Onlinedurchsuchung machen konnte. Ich loggte mich in einem Sportwettenbüro in Giesing ein, in dem die halbe Stunde zwei Euro kostete. Eine hübsche Türkenmama führte den Laden. Shane behauptete, dort würde Schwarzgeld gewaschen, und fast alle, die dort aus- und eingingen, seien entfernte Verwandte von ihm, die illegal hier lebten und bis auf die Mama – sie war angeblich Ugis künftige Schwiegermutter – kein Wort Deutsch sprachen. Ich fühlte mich wohl dort unter diesen Möchtegern-Gangstern. Es gab keine Kameras. Keiner stellte Fragen. Alle sprachen leise. Alle hatten Geheimnisse. Wir waren eine große Familie. Die Türkenmama hatte gewaltige Brüste und keine Ahnung vom Wettgeschäft. Sie gab die Wetten in den Computer ein, der daraufhin eine Quittung ausspuckte, über die sich die Kunden immer beschwerten.
„Das habe ich nicht getippt.“
„Das sagen alle.“
„Das habe ich nicht getippt!“
„Der Computer lügt nie.“
„Ich setze nicht auf drei Siege mit einer Quote von je 1,25.“
„Der Computer sagt immer die Wahrheit.“
Der Typ kickte mit dem Bein gegen
Weitere Kostenlose Bücher