Man Down
verschwenden. Kein Liebeskummer mehr, alles wäre so unwichtig, weil nur der Kampf zählte.
Oh ja, Florian. Ich sehne einen Krieg herbei. Aber ich fürchte, dass es den Krieg, wie ich ihn mir erträume, gar nicht gibt. Keinen gerechten, edlen. Es gäbe Verstümmelte und Vergewaltigte, Kinder, die ihre Eltern verlieren, und Eltern, die ihre Kinder verlieren. Menschen, die ihr Lachen verlieren und zu lebenden Toten werden.
Aber lass mich davon träumen. Vom Rattern der Maschinengewehre, vom Dröhnen der Kampfflugzeuge, vom Krachen der Bomben. Vom Sieg oder Heldentod. Lass mich einfach nur davon träumen, Soldat zu sein und wieder Stolz und Ehre, wieder einen Auftrag zu haben.
Marion tauchte um Viertel vor 9 auf. Sie kam in einer Gruppe von Menschen aus der U-Bahn-Station. Sie fiel mir sofort auf, aber ich erkannte sie erst gar nicht. Ihr Lippenstift leuchtete, ihr Ausschnitt war tief, ihr Rock kurz und rot, und die Stöckelschuhe klapperten auf dem Asphalt. Ich glaubte, den Duft ihres Parfums riechen zu können. Es war dasselbe Nuttenparfum, das Violetta benutzt hatte.
Sie marschierte schnurstracks zum Eingang, sie klingelte nicht einmal, sie hatte einen Schlüssel. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich stand da auf dem Parkplatz hinter einem Van und glotzte hoch zu Shanes Wohnung.
Fuck Shane.
Fuck Marion.
Ich erschrak, als ein Auto mit weit überhöhter Geschwindigkeit herbei raste, in den Parkplatz einbog, der eigentlich gar nicht zu Shanes Block gehörte. Der schwarze Audi parkte ein paar Meter von mir entfernt. Zwei Yuppies stiegen aus, sie trugen Anzüge, die Krawatten hingen lose und lässig um die Hälse. Der eine hielt eine fette Flasche Sekt in der Hand, der andere sein Handy, das er mehrmals auf- und zuklappte. Sie beachteten mich nicht, sie lachten, ich folgte ihnen, folgte ihrem Lachen, und sie hielten mir sogar die Tür auf, sodass ich ins Stiegenhaus gelangte. Polternd und scherzend stiegen sie in den Lift, boten mir an, mitzufahren, aber ich schüttelte den Kopf, die Tür schloss sich und ich glotzte auf die Anzeige.
Sie fuhren in den obersten Stock.
Ich dachte mir, was für ein mieser Traum. Was für ein Idiot, der sich so etwas ausgedacht hat.
Ich hetzte zu Fuß die Treppe hoch.
Im fünften Stock gab es nur noch zwei Wohnungen. Links wohnte Shane. Rechts ein älteres Ehepaar aus Düsseldorf. Den Mann hatte ich noch nie gesehen, die Frau hatte lange, weiße Haare und war immer freundlich gewesen, wenn ich ihr im Stiegenhaus begegnet war. Ich klingelte an Shanes Nachbarwohnung. Die Frau öffnete die Tür einen Spalt. Als sie mich erkannte, löste sie die Kette und öffnete die Tür vollständig.
„Grüß Gott“, sagte sie und sah mich neugierig an.
„Ihre Katze“, sagte ich.
„Meine Katze?“
„Ich glaube, sie wurde überfahren.“
„Ich … Wir haben keine Katze.“
„Sind Sie sicher? Vielleicht ist’s ja ein Hund, das ist nicht mehr so genau zu defi…“
„Keine Katze“, sagte sie bestimmt. „Und schon gar keinen Hund.“
„Aber der Hausmeister sagte mir, dass ich bei Ihnen klingeln sollte.“
Der Blick der Frau verfinsterte sich. Sie wich zurück. „Mein Mann ist der Hausmeister.“
Es war wie in nem Film, nur fehlte die Pointe. Ich wollte in die verdammte Nachbarwohnung, wollte wissen, was Marion da drüben trieb, aber ich kam nicht rein. Die Frau schloss die Tür, ich hörte, wie sie zwei, drei Verriegelungen betätigte.
Verdammte Scheiße.
Ich hatte nur eine Möglichkeit zu erfahren, was da abging. Shanes Tür schloss nicht, ich konnte in seine Wohnung, solange nicht von innen abgesperrt worden war. Das Problem war, dass man vom Wohnzimmer auf die Tür sah, wenn man auf der Couch saß.
Ich spürte das Eisen auf meiner Haut, aber ich fühlte mich nicht mehr stark. Meine Knie waren weich, mein Magen rebellierte.
Mir war kotzübel.
Ich wusste, die Nachbarin beobachtete mich durch den Spion, aber das kümmerte mich nicht.
Ich schlich mich in Shanes Bude, in dem Augenblick, als ich den Blicken aus dem Wohnzimmer ausgeliefert war, schoss das Adrenalin durch meinen Körper, aber keiner saß auf Shanes Couch, keiner konnte mich sehen, ich verdrückte mich ins Bad und verschloss die Tür.
Marions Lachen.
Mein Gefühl sagte mir, dass Shane nicht da war. Wo Shane war, stank es immer nach Rauch. Und hier war kein Rauch.
Ich hörte Lachen.
Mein Mädchen.
Ich fühlte so viel, dass ich gar nichts mehr fühlte. Ich war der Soldat, der vor lauter Todesangst den Tod
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