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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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schlug auf den Bullen ein, aber der drückte meinen Kopf zur Seite und wehrte meine Schläge ab.
    Ich erstickte.
    Fuck.
    Ich erstickte.
    Ich wollte mich tot stellen, aber ich hatte solche Angst, deshalb wehrte ich mich.
    Ich wollte nicht ersticken.
    „Na gut“, sagte der Bulle, drehte mich und fesselte meine Hände. „Wenn du uns so kommst – wir können auch anders. Jetzt kriegst du erst mal ein feines Zimmerchen, in dem du viel Zeit hast nachzudenken. Und ein paar nette Kollegen hast du dort bestimmt auch.“
    „Leck mich am Arsch, Bulle.“
    „Du dreckiger Drogendealer“, sagte er und bohrte mit seinem Daumen tief in meine Rippen, bis ich aufschrie. „Wenn’s nach mir ginge, dann würdest du lebenslänglich kriegen. Jeder von euch. Lebenslänglich.“
    „Scheißbulle!“
    „Terroristen, Dealer, Kinderschänder, ihr seid alles ein Pack.“
    „Drecksau!“
    „Ein und dieselbe Brut!“
    „Hanns Martin Schleyer war bei der SS , wussten Sie das?“, keuchte ich. „Wussten Sie das?! Schleyer trat bereits 1933 der SS bei. Das war kein Mitläufer. Das war n richtig strammer Nazi.“
    „Du redest nur irres Zeug, verdammter Junkie.“
    „Denk mal drüber nach, Bulle. Denk mal nach! Wer Verbrecher ist und wer nicht.“
    „Das wird der Richter entscheiden, Freundchen.“
    „Der hat nichts in der Tasche“, sagte da der zweite Bulle.
    „ …?“
    „Da ist nichts!“
    „Was?!“
    „Schau mal in seiner Jacke nach.“
    „Da ist nichts in der Laptoptasche?“
    „Nur das hier.“
    Ich verbog mir den Hals, um zu sehen, was der Bulle in Händen hielt.
    Was zum Teufel?
    ...
    Fuck!
    Der Bulle durchsuchte die Taschen meiner Bomberjacke, tastete mich am ganzen Körper ab, er suchte und suchte und fand nichts.
    Ein Schafsfell.
    Ich wollte lachen, wollte die Affen auslachen, aber ich konnte nicht mal lächeln. Ich spürte, wie mir die Pisse in die Shorts schoss.
    „Damit kommst du nicht durch“, sagte der Bulle. „Wir haben genug gegen dich in der Hand. Du kommst nicht einfach so davon.“
    ***
    Wie in Trance stieg ich am Hauptbahnhof aus dem Zug, nachdem ich unbemerkt von den Bullen, die vor mir ausstiegen und einer alten Frau den Pudel und das Gepäck raustrugen, das Eisen aus dem Abteil geholt und mit zitternden Händen in die Jeans gesteckt hatte. Ich fuhr mit der U-Bahn zum Sendlinger Tor, irrte umher, wollte nicht zu Rugby. Das Zeug war futsch. Ne Menge Kohle war verloren. Ich war derjenige gewesen, der allen Warnungen zum Trotz in die Schweiz fahren wollte – jetzt war ich der Arsch, der alles vermasselt hatte.
    Ich kam erst ins Heim, als die Party bereits lief und die ganze Bande blau oder zugekifft war, manchen hing der Schnee aus der Nase. Das ganze Studentenheim war ein einziges lärmendes Tollhaus. Alle tanzten, lachten, sangen, flirteten, grapschten. Rugby saß in seinem Schafsfell auf der Bühne auf seiner Lambretta und bearbeitete Nelly, die seine Hände immer wieder abwehren musste. Seine Haare standen wirr in alle Richtungen, seine Wangen waren rot und der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Ich sah, dass die Hand, in der er die Zigarette hielt, völlig unkontrolliert zitterte. Und wie ich da so stand, völlig nüchtern, völlig am Arsch, fand ich es gespenstisch. Früher hatte ich es immer lustig gefunden, Rugby im Delirium zu erleben. War doch alles nur Spaß! War doch nicht für immer.
    Dass Rugby böse abstürzen würde, das habe ich an jenem Abend zum ersten Mal geahnt. Dass er bereits schwere Depressionen hatte, Halluzinationen, die ihn Tag und Nacht verfolgten, wusste ich nicht. Dass er für ein paar Tage in einer Geschlossenen auf Entzug gewesen war, weil er mehrere Selbstmordversuche unternommen hatte, das erzählte mir in jener Nacht Gugl. Nein, ich hatte nichts geahnt! War doch unser Idol, der Rugby, der das ganze Heim erzittern ließ, wenn er lachte, und immer das letzte Wort haben musste. Wir liebten diesen durchgeknallten Sixties-Freak, unseren Mod mit der Lambretta, die jede Nacht in seinem Zimmer übernachtete, weil er fürchtete, man könnte ihr draußen was antun. Er war der einzige waschechte Münchner im Heim, der während des Oktoberfestes eine Lederhose anziehen hätte können, ohne dass es lächerlich ausgesehen hätte. Der einzige, der in dieser Stadt noch den alten Dialekt zu sprechen schien und nicht dieses blutleere Schriftdeutsch der Zugezogenen und Angepassten.
    Ja, alle liebten Rugby. Rugby war Kult, sein Schafsfell, seine Frisur, seine Exzesse, man lachte über ihn,

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