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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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er, dass er mitdarf. Er ballt die Fäuste und schließt die Augen. Ja, flüstert er, ja ja ja. Sie fährt ihm über die Stoppeln, und er duckt sich nicht.
    Abends liegt ein Zettel auf seinem Kopfkissen. Dreckiger Schleimbeutel, steht darauf. Hannes nimmt den Zettel, knüllt ihn zusammen und schiebt sich damit in den Gruppenraum, wo Bernie in sich zusammengesunken im Rollstuhl döst. He, Bernie, sagt Hannes. Bernie reißt die Arme auseinander und wirft den Kopf nach hinten. Hier hast du was, sagt Hannes und steckt ihm den Zettel in den aufgesperrten Mund.
    Das Spiel ist am Samstag. Alle reden davon. Die Mädchen gründen einen Verein zur Abschaffung des Fußballs. Am Freitag bemalen die Auserwählten Bettlaken mit den Namen ihrer Lieblingsspieler und werden umlagert von denen, die nicht mitdürfen. Wenn du mich fahren lässt, schenke ich dir meine Computerspiele, flüstert Tony Hannes ins Ohr, und zwar alle. Hannes zuckt mit den Schultern. Oder was willst du, flüstert Tony, du bestimmst den Preis. Nichts, sagt Hannes und hält sich die Ohren zu. Du musst mich fahren lassen, sagt Artur, ich bin noch ärmer dran als du, und er wedelt mit seinen winzigen Händen vor Hannes’ Gesicht, gönnst du mir denn gar nichts. Lasst mich in Ruhe, schreit Hannes, fragt doch die anderen. Die anderen sind nicht so Weicheier wie du, sagt Tony, die sind unbestechlich, verstehst du.
    In der Nacht zum Samstag wacht Hannes auf. Sein Kissen ist klamm, etwas steigt ihm heiß die Kehle hoch, und bevor er die Nachtwache rufen kann, erbricht er einen gelblichen Schwall über die Decke. Die Nachtwache hält ihm die Schultern, während er keucht, sich den Mund abwischt und gleich wieder anfängt zu würgen. Als die Nachtwache die Laken abzieht, lehnt er zittrig am Kopfende, morgen bin ich wieder in Ordnung. Immer langsam, Jungchen, sagt die Nachtwache freundlich, du bist weiß wie die Wand. Bestimmt, murmelt Hannes, bestimmt bin ich wieder in Ordnung, morgen.
    Als draußen die Amseln singen, liegt er im frisch bezogenen Bett und hört die anderen schon im Gang johlen, später Tellerklappern aus dem Essraum und Katrinas hohes Lachen. Er zittert unter der Decke. Jemand reißt kurz die Tür auf und schreit, gute Besserung. Der Tag zerrinnt. Als abends im Gruppenraum die Übertragung eingeschaltet wird, ist Hannes längst eingeschlafen.
    Jeden Nachmittag nach den Schulaufgaben spielen Tony und Artur Fußball im Gang. Sie tragen Vereinshemden und Turnschuhe. Tony hat welche mit Klettverschluss, damit die Betreuerin weniger Mühe hat. Artur schießt, und Tony fängt den Ball mit der Breitseite des elektrischen Rollstuhls ab. Weil Artur wendig ist und die Schwerfälligkeit des Rollstuhls ausnutzt, könnte Tony Verstärkung gebrauchen, aber er wehrt sich. Hau ab, Krüppel, schreit er, wenn Hannes sich in die Schusslinie schiebt und der Ball gegen seine Fußstützen knallt, hau einfach ab und geh spielen. Der Ball ist sowieso nur aus Plastik, ein Kinderball, rot mit weißen Punkten.
    Mit Fußball hat das nichts zu tun, sagt Hannes im Gruppenraum, und weil er lauter spricht, als man es von ihm gewohnt ist, schauen alle hoch. Sie basteln Osterschmuck. Die Betreuerin hat Küken und Schmetterlinge ausgeschnitten, Carolin bläst Eier aus. Jedes Mal, wenn ein Klumpen Dotter in die Schüssel klatscht, zuckt Bernie zusammen. Wieso, fragt die Betreuerin. Ach, ist doch egal, murmelt Hannes und wischt mit der flachen Hand über den Tisch. Papierküken und Schnipsel wirbeln hoch und schweben zu Boden. Das hebst du auf, sagt die Betreuerin. Hannes ballt die Fäuste so heftig, dass sich die Fingernägel in die Haut graben.
    Soll ich dich mal zu einem Spiel mitnehmen, fragt der Betreuer. Er lehnt im Türrahmen, als sei er zufällig vorbeigekommen. Ich denke, Fußball ist nicht dein Ding, sagt Hannes misstrauisch. Ich würde mir schon mal eins anschauen, sagt der Betreuer und sieht, weil er weiß, dass Mitleid sofort entdeckt wird, gelangweilt aus dem Fenster. Hannes starrt ihn an, zögert, dann senkt er den Blick. Keine Lust, sagt er. Du kannst es dir ja mal in Ruhe überlegen, meint der Betreuer und lässt den Blick schweifen, als er aus dem Zimmer geht. Warum ist dein Zimmer eigentlich so kahl, fragt er, früher hattest du doch alles voll mit Postern. Die gefallen mir nicht mehr, sagt Hannes patzig.
    Nach Ostern muss Hannes Reiten lernen. Du

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