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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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könnte auf den Balkon, wo die Schwestern rauchten, und die Sommerluft einatmen, und vielleicht sähe sie ja sogar Georg. Sie ging langsam hinaus auf den Flur. Vor jedem Zimmer waren die Blumenvasen in ordentlichen Reihen aufgebaut, ein süßer Geruch lag in der Luft, von dem Birgit H. gleich schwindlig wurde. Sie lehnte sich an die Wand, und schon eilte eine der Schwestern, deren Namen sie sich nicht merken wollte, herbei und griff sie fest an der Schulter, hat man Ihnen nicht gesagt, dass Sie liegen sollen, Ihr Kreislauf ist im Keller.
    Ich wollte mir nur ein Wasser holen, flüsterte Birgit H. und ließ sich zurück zu ihrem Bett führen. Die Schwester deckte sie zu und schaute missbilligend auf die zwei ungeöffneten Sprudelflaschen auf Frau H.s Nachttisch.

    Nachts öffnete Georg die Augen. Er sah viel Dunkel und ein Hell. Er bewegte die Zunge im Mund.
    3. Kopf an den Stäben

    Als Georg nach Hause kam, war alles gerichtet. Das Gitterbett in seinem Zimmer war mit hellblauem Stoff ausgekleidet, damit er sich nicht den Kopf an den Stäben stieß, und direkt über ihm hing ein Halbmond aus Frottee, den man aufziehen konnte: La le lu nur der Mann im Mond schaut zu.
    Er sieht winzig aus, sagte Birgit H., als sie ihn zum ersten Mal hineingelegt hatte.
    Ach das wächst sich aus, meinte Rudi H. und beugte sich über Georg, der sich am Kopfende langsam kringelte, so, das hätten wir. Er nahm Birgit H. am Ellbogen und führte sie ins Wohnzimmer, du mußt dich ausruhen.
    Ich weiß nicht, sagte Birgit H., die anfing, sich zu langweilen, schon im Krankenhaus war ihr die Zeit lang geworden, wovon denn. Sie hatte kaum Besuch gehabt, Rudi natürlich jeden Tag, einmal die Nachbarin, die selbst nie Kinder gehabt hatte, einmal Rudis Mutter, die einen riesigen Metallkran für Georg mitbrachte und ihn, sobald die Schwester ihn gebracht hatte, kräftig rüttelte, komm, du kleine Schlafmütze, lass dich mal anschauen, Jungchen.
    Wenn Georg nachts aufwachte, glitt Birgit H. leise aus dem Bett und machte ihm sein Fläschchen. Auch Georg wimmerte. In der ersten Nacht, als Birgit H. noch nicht wusste, was auf sie zukam, und mit offenen Augen und hochgezogenen Schultern neben Rudi lag, hörte sie es zuerst gar nicht, sie hatte sich auf Geschrei eingestellt, Geschrei war ein klarer Fall, Hunger oder Bauchweh, das hatte sie gelesen. Aber dieses hohe Winseln, das verhalten aus dem dunklen Kinderzimmer klang, das hätte auch eine liebeskranke Katze sein können oder ein Nachtvogel, bis es dann etwas lauter wurde, aber nicht dringlicher. Birgit H. ging trotzdem hin, sie hatte schon das Milchpulver gerichtet, es war ihr erster Einsatz, und sie wollte ihn nicht verpassen. Georg lag bewegungslos, genau so, wie sie ihn hingelegt hatte, die Hände zu Fäusten geschlossen neben dem Gesicht, schaute nach oben und wimmerte. Sie beugte sich über ihn und versuchte, ihm in die Augen zu schauen, die sonst immer geschlossen waren, aber sie konnte seinen Blick nicht einfangen. Er sah viel Dunkel, er sah den dunklen Halbmond von unten, der sich langsam in der Nachtluft drehte, er sah den Hunger und hörte den Hunger in seinem Bauch. Er bewegte die Füße und stieß gegen die Naht des Schlafsacks. Er spürte, wie Luft über seine Zunge strömte.
    In den ersten Wochen ging Birgit H. nicht nach draußen. Stattdessen schritt sie langsam in der Wohnung auf und ab, während Georg schlief, blieb am Regal stehen, schaute auf die lackierte Kante des Holzbretts und vergaß zu blinzeln. Die Rücken der Bücher pressten sich gerade aneinander, es gab keine Lücken, nur etwas Staub, den Birgit H. mit dem Zeigefinger entfernte. Im Badezimmer saß sie auf dem Rand der Badewanne und verfolgte die Rillen zwischen den Fliesen mit den Augen. Die Fliesen waren rosa und so sauber, dass Birgit H. ihren Umriss darin schimmern sah. Sie bewegte sich leicht vor und zurück und sah im rosa Glanz ihren Kopf und ihre Schultern. Wenn Georg seufzte, stand sie langsam auf und vermied den Spiegel.
    Geh doch zum Friseur, sagte Rudi H., das wird dir guttun, und er legte einen Geldschein auf die Anrichte. Birgit H. nickte und steckte das Geld hinter die Ansichtskarten und die Schlüssel, das Haar hing ihr zottelig in die Augen, und hinten stieß es an den Kragen der Bluse und rollte sich nach außen, man müsste etwas unternehmen, schließlich muss

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