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Man lebt nur ewig

Titel: Man lebt nur ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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Vergnügen bereiten. Aber jetzt habe ich eine Aufgabe zu erledigen. Also verschwinde. Schu!« Er lächelte, als sich in der Mitte seiner Stirn ein drittes Auge öffnete, was Randy aufschreien ließ wie ein Kind in einem Spukhaus. Der Ban- dit riss sein Pferd herum und galoppierte davon.
    Während Wyatt sich dem Paar zuwandte, kreiste sein drittes Auge genüsslich in seiner Höhle, als es ihre angst-
verzerrten Gesichter bemerkte. Ich dachte, der alte Mann würde gleich einen Herzinfarkt bekommen. Er presste sich die rechte Hand auf die Brust und fiel in seinem Sitz zurück, wobei sein Hut hinten aus der Kutsche flog, wäh- rend seine Frau ununterbrochen schrie.
    »Halt die Schnauze, alte Schachtel!« Wyatt trieb sein Pferd vorwärts, sodass er ihr eine Ohrfeige verpassen konnte, woraufhin auf ihrer Wange eine schmale Blutspur erschien.
    Es funktionierte nicht. Sie kreischte nur noch lauter. »Lauf, Joshua, lauf! Das ist der Teufel in Menschenge- stalt!« Sie ließen sich von ihren Sitzen auf den Boden der Kutsche fallen und von dort auf die Erde. Doch Wyatt schnitt ihnen mit seinem Pferd den Weg ab, wobei er die eisenbeschlagenen Hufe nah genug an sie heranbrachte, dass sie neben dem Hinterrad festgenagelt blieben.
    »In dieser Hinsicht muss ich Sie korrigieren«, sagte er. »Tatsächlich bin ich nur ein Diener des Leibhaftigen. Obwohl wir Schröpfer seine Lieblinge sind.« Er kicherte zärtlich, als er vom Pferd stieg. Ich erwartete, dass das Tier davonlaufen würde, aber es blieb an seiner Seite und verteilte Schweißtropfen und Sabber auf Joshuas Glatze. Der Schröpfer ging zu der alten Frau und zog sie am Kra- gen hoch.
    »Und du hörst jetzt auf zu flennen und hältst die Klap- pe, oder ich reiße dir die Lunge raus, aus reiner Selbst- verteidigung«, drohte er, schleuderte sie zurück in die Kutsche und wandte sich ihrem Mann zu.
    Das Bild fror ein, als Wyatt seine Hände beziehungs- weise Klauen in Joshuas Brust bohrte.
    »Dann habe ich das Bewusstsein verloren«, erzählte die müde, hoffnungslose Stimme von Joshuas Witwe. »Das Nächste, woran ich mich erinnere …«

    Wyatt war wieder in den Sattel gestiegen. Joshuas Lei- che lag quer über seinem Schoß, seine Brust war aufgeris- sen, und seine Seele kämpfte darum, sich zu befreien, wäh- rend der Schröpfer sich darüberbeugte, um seine dornige Zunge einzusetzen. Genau wie ich es gerade beobachtet hatte, wurde der Seele langsam die Farbe entzogen, wäh- rend sich das dritte Auge des Schröpfers füllte. Am Ende löste sich die Hülle von Joshuas Seele in ihre Bestandteile auf und fiel zurück in seinen Körper, der bei dem Aufprall unheimlich zuckte.
    Wieder wurde das Bild schwarz, diesmal ohne beglei- tende Erzählung. Arme Frau. Ich konnte an nichts ande- res denken. Arme, arme Frau.
    Als sie wieder zu sich kam, war die Frau, zusammen mit ihrer Kutsche, zu einem alten, verlassenen Friedhof ge- bracht worden. Zwischen hohen Grasbüscheln lugten Grabsteine hervor. Die meisten waren stark nach links ge- neigt, als hätte ein riesiger, wütender Schachspieler ver- sucht, das Brett abzuräumen, bevor er in die Hügel im Hintergrund verschwunden war.
    Wyatt lenkte sein Pferd mitten zwischen die Steine, griff in die Brust des Toten, riss das Herz heraus und warf es gegen einen mit Ranken überwachsenen Baumstamm. Als die Ranken schwarz wurden und abbröckelten, erkannte ich, dass der Stamm in Wirklichkeit ein großes, turmarti- ges Monument war.
    Die Frau hatte seit der Drohung des Schröpfers keinen Ton mehr von sich gegeben. Doch als das Herz auf den Stein traf, wo es zerplatzte, und aus den eingeätzten Ver- zierungen in dem weißen Marmor dicke Blutstropfen hervorquollen, stöhnte sie wie ein sterbendes Tier. Wider- willig wurde mir bewusst, dass ein Wir-sind-so-was-von- im-Arsch-Gefühl in mir aufstieg, und meine Hände sehn-
ten sich nach meinen Karten. Ich hatte sie im Wohnmobil gelassen. Zum letzten Mal , schwor ich mir. In was für eine kranke Scheiße sind wir da nur reingeraten?
    Sobald das Blut den Boden berührte, verdichtete es sich, wuchs, bildete einen Zaun, eine Mauer, einen runden Tor- bogen, der pulsierte wie eine riesige Aorta. Der Schröpfer ritt darauf zu und warf auf dem Weg Joshuas Leiche zur Seite. Im oberen Drittel des Torbogens bildete sich eine kleinere, ungefähr faustgroße Tür. Wyatt lehnte sich in die Richtung, und sein Sattel quietschte unheimlich, als er sich bewegte. Die kleine Tür flog mit einem Knall auf, und heraus

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