Man lebt nur ewig
am Ende des Piers und schauten hinaus zu der Jacht, die Lung, wie wir in Erfahrung gebracht hatten, in der vorangegangenen Woche gekauft hatte. »Wenn das hier ein James-Bond-Film wäre«, sagte ich, »würden wir uns jetzt in unsere knappsten Klamotten werfen, zur Drache hinausschnorcheln …«
»Denn das wäre sicher der Name des Schiffs«, warf Cole ein.
Ich nickte. »Wir würden an der Seite hochklettern, ohne irgendjemanden aufzuscheuchen, uns in Chiens Kabine schleichen …«
»Und dann gefangen genommen und an die Haie ver- füttert werden«, sagte Bergman.
»Gibt es in Texas Haie?«, fragte Cassandra.
»Es gibt überall Haie«, erklärte Vayl.
Wir beobachteten noch eine Weile die schimmernden Lichter der Jacht. »Tja, ohne das Catering wird die Party nie anfangen«, sagte ich dann und musterte kritisch die Aufmachung meiner Crew.
Sie war uns von Larrys Cousine, Yetta Simms, zur Verfügung gestellt worden. Sie hatte sich als ziemlich pa- triotisch herausgestellt und hatte es gar nicht abwarten können, mit uns zu kooperieren. Sie war der Meinung gewesen, dass wir unsere Aufgabe wesentlich besser wür- den lösen können, wenn ihre Leute uns nicht in die Que- re kämen. Also hatte sie uns den gesamten Catering-Auf-
trag überlassen. »Denkt dran«, hatte sie gesagt, als sie mir die Karte gegeben hatte, auf der sie detailliert vermerkt hatte, was wo platziert werden musste, »Chien-Lung hat die strikte Anweisung erteilt, dass wir von der Jacht run- ter sein müssen, bevor er und seine Gäste eintreffen.«
Was wahrscheinlich bedeutete, dass Lung seine Tage an einem völlig anderen Ort verbrachte. Das machte Sinn. Nicht einmal ein schwimmender Palast könnte einem Vampir viel Schutz gegen ein loderndes Feuer bieten. Un- ter der Erde, da würden wir ihn finden - wenn wir dem- nächst für ein Wunder eingetragen waren.
Obwohl wir nicht erwarteten, in direkten Kontakt mit ihm zu kommen, hatten wir vorsichtshalber doch unser Äußeres verändert. Wir trugen alle Gesichtsprothesen, durch die unsere Physiognomie verändert wurde. Berg- man hatte sich außerdem noch eine Kappe ausgesucht, durch die er aussah, als wollte er Mitglied in einem Verein für Männer mit Haarproblemen werden. Cassandra, Cole und ich hatten uns für Perücken entschieden; meine war schwarz, ihre rot und Coles hellbraun. Wir trugen alle rote Halstücher und Piratenkostüme. Nicht unsere Idee. Yetta nannte ihre Firma »Pflanze der Sieben Meere«, da- her die Lederwesten, weißen, weitärmeligen Hemden und engen schwarzen Hosen, die in hohen schwarzen Stiefeln steckten.
»Ich mag diese Stiefel«, erklärte ich Vayl. »Meinst du, sie würden sie mir billig verkaufen? Irgendwie ruiniere ich meine immer.«
»Seit wann machst du dir Gedanken über Geld?«, frag- te er amüsiert. »Ich war mir bisher nicht mal sicher, ob du überhaupt weißt, was man damit macht.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Eine Frau hat eben so ihre Bedürfnisse.«
»Immer noch?«, fragte Cole. »Gott, Jaz, warum hast du mir das denn nicht gesagt? Ich hätte dich doch nicht lei- den lassen.«
»Seid still und steigt in das Boot«, bellte Vayl und ver- passte Cole einen so scharfen Blick, dass ich überrascht war, als ihm nicht sofort ein paar Blutgefäße platzten. Wir folgten seinem Befehl und drängten uns in ein uraltes klei- nes Gefährt, von dem die grüne Farbe abblätterte und das aussah, als würde es sinken, sobald einer von uns nur ein bisschen zu hart auftrat. Auf den Metallbänken lagen Ret- tungswesten und Kissen, die wahrscheinlich schon mit der Mayflower ins Land gekommen waren. Kühlboxen, Kartons und Tabletts füllten fast den gesamten Raum, sodass wir uns dazwischenquetschten, wo es gerade ging. Cassandra und ich in der Mitte, Bergman und Cole je- weils am Ende. Vayl stieß uns ab und sprang leichtfüßig ins Heck des Bootes, als es vom Pier wegglitt. Zu meiner großen Erleichterung brach er nicht durch den Boden.
Der Motor sprang an und klang so stark, dass ich Angst bekam, er könnte das Heck des Bootes abreißen und Vayl würde wie eine Figur aus einem Bugs-Bunny-Cartoon auf dem Außenborder bis nach Brasilien reiten, während der Rest von uns auf den Boden der Bucht sinken und irgendwie mürrisch und gleichzeitig resigniert drein- schauen würde, während die letzte Atemluft sich in per- fekten runden Blasen von unseren Lippen löste. Gluck, gluck, gluck.
Wenn ich so darüber nachdachte - sollte sich das Mist- ding wirklich lösen, würde
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