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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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aus dem Haus zu schleichen, und erst als er schon mit der Lous ums Eck gebogen war, hörte ich Chris schreien: »Der Wichser hod scho wieder mei’ Jeansjack’n! Irgendwann bring ihn um!«
    Chris bekam am nächsten Tag zwar die Jeansjacke zurück. Aber da wurde er noch stinkiger als am Tag zuvor, weil es nämlich nicht seine war, sondern irgendeine. Genau die halt, die bei Sonnenaufgang noch irgendwo zwischen McDonald’s-Tüten und Asbach-Uralt-Flaschen übrig war.
    Mein Bruder Sepp meinte nur achselzuckend: »Reg’ di ned auf. Schaut doch genauso aus wie deine.« Somit war der Fall für ihn erledigt. Und der arme Chris musste von da an eine fremde Jeansjacke in seinem Schrank beherbergen.
    Mir klaute er einmal ein schwarz-rotes Chicago-Bulls-Baseball-Cap, das mir ein Kollege zwei Wochen zuvor von einer Dienstreise in die USA mitgebracht hatte. Ich wusste, dass der Beam-Club abends ein Lagerfeuer am Freisinger Weiher machen wollte, ich wollte ihm aber nicht nachfahren, weil ich zwischen den ganzen »Beamern« eh keine Chance gehabt hätte, wieder an mein heiß geliebtes Cap zu kommen. Die Typen hätten mich im besten Fall nur ausgelacht, mit Bier bespritzt und danach in den Weiher geschmissen. Und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie der schlimmste Fall ausgesehen hätte. Also hieß es für mich warten, bis der gnädige Herr am nächsten Tag von den Toten auferstanden war. Als ich ihn mittags auf mein Käppi ansprach, meinte er nur zwischen zwei Bissen, ohne mich dabei anzusehen:
    »Des Kappi … des hamma angezündet!«
    »Wie … angezündet?!«
    »Ja, o’zündt hoid.«
    »Mit’m Feuerzeug?«
    »Na, ins Feuer hammas neigschmissen.«
    »Spinnst du, du Volldepp! Und warum habts ihr mei Kappi o’zündt?«
    »So hoid.«
    Und die Diskussion – wenn man sie so nennen möchte – war für ihn wieder mal beendet. Da er kein Geld hatte, mir ein neues zu kaufen, und meine Eltern für so einen Schmarrn wie ein Baseball-Cap kein Geld ausgeben wollten, musste ich warten, bis wieder einer meiner Arbeitskollegen auf Dienstreise in USA war und mir ein Käppi mitbringen konnte. Tatsächlich bekam ich ein paar Monate später wieder eines, aber da die Dienstreise nach Kalifornien ging, war es kein rot-schwarzes von den Chicago Bulls, sondern ein weißes Basketball-Cap von den San José Sharks mit einem türkisfarbenem Hai auf der Stirn, was nicht ganz so cool war wie mein altes. Denn wer kannte schon die San José Sharks? Und außerdem: Basketball??!! Basketball war allein deshalb schon total uncool, weil es das auch bei uns gab. Baseball dagegen war etwas wirklich Besonderes. Aber ich wollte nicht undankbar sein und habe das Käppi trotzdem getragen, denn es war zumindest ein ganzes Käppi mehr, als ich jemals von meinem Bruder bekommen habe, dem Wichser!
    Aber – wie gesagt – das war früher. Heute verstehe ich mich mit meinen Brüdern wunderbar. Wenn meine Dusche nicht richtig warm wird, mein Drucker spinnt, die Dachrinne verstopft ist, die Gartenbewässerung nicht funktioniert, Bilder aufgehängt werden sollen oder ich zum Flughafen muss – meine Brüder sind immer zur Stelle. Oder meine Schwägerinnen. Im Gegenzug kann ich leider nichts reparieren, austauschen, kochen, backen oder programmieren, weil ich ja praktisch völlig talentfrei bin. Aber als Tante stelle ich mich – glaube ich – recht passabel an und bin ich bei meinen Nichten und Neffen (noch) ziemlich beliebt: Ich kenne alles, was es von Star Wars an Spielzeug gibt, kann Max und Moritz auswendig, kaufe für alle vier Kinder Klamotten, die fast immer passen und gefallen, und meine Übernachtungseinladungen sind so heiß begehrt, dass meine kleinste Nichte, Juliane, dafür extra windelfrei wurde. Als sie nämlich hörte, dass die anderen drei bei mir übernachten dürfen inklusive Picknick zu Ice Age 3 plus Popcorn, Eis und anschließender Kissenschlacht, meinte sie zu ihrer Mama: »I mech auch Tante Moni schlaffa!«
    Meine Schwägerin versuchte ihr zu erklären: »Des geht erst, wenn du allein aufs Klo gehst!«
    Juliane erkannte die Dringlichkeit des Problems sofort und meinte: »Ich muss ich aufs Klo geh’ – jetzt!«
    Meine Schwägerin versuchte es nun deutlicher: »Nein, Juliane, des geht erst, wenn du alleine einen Stinker machen kannst!«
    Juliane zögerte kurz, ging in sich und sagte: »Ich muss ich Stinker macha … jetzt! Kann I scho Tante Moni schlaffa, gell, Mama!«

Der Flocki
    Es gibt ihn wirklich, den Flocki. Nein, Flocki ist kein Hund.

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