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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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    Aber wie viel Feingefühl konnte man schon von einem Mann erwarten, der fahrender Händler für Schmierseife und Suppenbrühe war – und zwar alles von ein und demselben Hersteller! Quasi ein schmieriger Suppentandler.
    Aber auch ihn gibt es natürlich längst nicht mehr. Und die Schmierseife kauft meine Mama jetzt bei einer Nachbarin, per Telefon. Es reicht ein kurzer Anruf, ohne schlüpfrige Geschichten und Herrenwitze. Einfach Bestellung durchgeben, danke, bis in vierzehn Tagen, und servus. Meine Mama ist sehr erleichtert darüber und findet es einfach nur angenehm. Mein Vater findet es fad.

Allein unter Brüdern
    Haben Sie Kinder? Ja? Wie schön! Und Ihre Kinder streiten auch, oder? Wunderbar. Es gehen dabei Dinge zu Bruch, Türen werden geknallt, es wird tagelang am Esstisch geschwiegen oder sich gegenseitig angezischt? Herrlich. Also, sie streiten sehr viel, brüllen sich an und werden handgreiflich, um nicht zu sagen, sie gehen sich gegenseitig an die Gurgel, sodass Sie manchmal Angst haben, die Meute allein zu lassen, weil sie befürchten, es könnte Tote geben, ja? Ach, wie wunderbar ist doch die Kinderzeit. Da werden Erinnerungen wach. Ich darf Sie hiermit beglückwünschen: Sie haben völlig normale Kinder.
    Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, indem ich die kühne Behauptung aufstelle: Ihre Kinder werden sich später blendend miteinander vertragen. Woher ich das weiß? Ich bin ja mit zwei jüngeren Brüdern aufgewachsen: Sepp ist zwei Jahre jünger und Chris fünf Jahre jünger als ich. Wir haben miteinander gerauft, uns gegenseitig die Haare ausgerissen, gebissen, die Kleider zerfetzt, wir haben uns gegenseitig beklaut und anschließend bei den Eltern verpetzt, bei unseren jeweiligen Freunden schlechtgemacht, kurz: Wir haben uns abgrundtief gehasst. Wenn das bei Ihren Kindern genauso ist, kann ich Sie beruhigen. Das ist normal, völlig normal. Entspannen Sie sich, schenken Sie sich gemütlich ein Glas Wein ein. Sie haben alles richtig gemacht, auch wenn Ihnen das jetzt vielleicht noch nicht so vorkommt. Aber Geschwister, die sich ab einem bestimmten Alter gegenseitig das Leben zur Hölle machen, werden sich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit in späteren Jahren blendend verstehen, sich respektieren, gegenseitig unterstützen und miteinander ausgehen, ja vielleicht sogar gemeinsam in Urlaub fahren.
    Falls sich Ihre Kinder im Alter von vier bis achtzehn mit gegenseitigem Respekt und Zuneigung begegnen, dann würde ich mir an Ihrer Stelle Gedanken machen, ob Sie nicht als Eltern völlig versagt haben und das dicke Ende noch bevorsteht, indem Ihr Sohn zum Beispiel irgendwann zwölf Kunden in einer Metzgerei mit einer abgesägten Schrotflinte niedermäht, nur weil ihm die Metzgereifachverkäuferin sein Semmerl mit Pizzaleberkäs anstatt Käseleberkäs belegt hat.
    Das beste Indiz für eine innige spätere Geschwisterliebe ist ein rauer Umgangston in Jugendjahren: Meine Brüder und ich haben uns beispielsweise zwischen zwölf und sechzehn Jahren gegenseitig nur als »der Wichser«, »der ander’ Arsch« und »die ander’ bleede Kuah« bezeichnet. Das führte so weit, dass unsere Eltern es aufgegeben hatten, uns wegen unserer unflätigen Sprache zurechtzuweisen, ja sie übernahmen unsere »gscherte« Sprache schon teilweise selber. Ich kann mich an ein sonntägliches Mittagessen erinnern, das bei uns ja immer um Punkt halb zwölf stattfand und zu dem mein Bruder Sepp nicht erschien. Als mein Vater meine Mutter fragte, wo denn sein Ältester abgeblieben sei, antwortete sie leicht entnervt: »Ja, i woass aa ned, wo der Wichser scho wieder is’!«
    Geschocktes Schweigen. Alle Augen waren auf unsere Mutter gerichtet. Meine Mutter rief schließlich leicht beschämt in die erstaunte Runde: »Ja, des is ja koa Wunder, dass i des auch amal sog, wenn ma den ganzen Tag nix anderes hört!«
    Mein Bruder Sepp hatte eine Zeit lang – bevor er sich entschloss, doch noch etwas Vernünftiges zu studieren – seine wilde Bikerphase, wo er entweder mit irgendeinem soeben erstandenen und nochmals kurz auffrisierten Mördergerät der Marke Honda oder Yamaha unterwegs war oder mit seinen Spezln vom »Beam-Club« (zur Erinnerung, »beamen« hatte in diesem Fall nichts mit Raumschiff Enterprise und einem gewissen Scotty zu tun, sondern es stand schlicht und ergreifen für saufen) auf Tour. Um für ihre Gelage von »A« wie Altötting nach »B« wie Bruckberg (oder damals auch »Pritschn-Hill«

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