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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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Strapazierfähigkeit zu testen. Wenn jemand fragte, wer denn den Herrn Lehrer in seinem Haus gefunden habe, dann sagten alle nur: »Der Flocki halt. Der hat ein Gespür für so was!«
    Einmal erzählte der Flocki, dass bei einem seiner Thailandflüge bereits kurz nach dem Start ein Mann in den ersten Sitzreihen ohnmächtig wurde. Die Stewardessen waren nervös und fragten per Durchsage, ob denn ein Arzt an Bord sei, um Erste Hilfe zu leisten. Gemeldet hat sich niemand. Aber der Flocki, der von dieser Durchsage gar nichts mitbekommen hatte, weil er grad im Kopf überschlug, ob er auch genügend Kondome dabeihatte, stand auf, um in seiner Reisetasche oben im Gepäckfach nachzuschauen, ob der pariserische Vorrat auch reichen würde. In diesem Moment zog ihn schon eine Stewardess – so erzählte es der Flocki zumindest nach seiner Rückkehr am heimischen Stammtisch – am Ärmel in Richtung des ohnmächtigen Rentners, damit der Doktor Flocki seiner Pflicht nachgehen könne. Als die Stammtischler ihn fragten, warum er denn der Stewardess gegenüber den Irrtum nicht aufgeklärt habe, meinte er nur: »Die hat a so an meinem Ärmel zogen, da hob i nix macha können!« Leider konnte er auch bei dem unglücklichen Patienten nichts machen, der dann während des Flugs – sehr zum Leidwesen des engagierten Flocki – an einem Herzinfarkt verstarb.
    Vor einigen Jahren lernte er einen jungen Iren kennen, der im Zuge seiner Europarucksackreise aus irgendeinem unerfindlichen Grund eines Abends in Flockis Stammlokal gelandet war. Und da Alkohol seit jeher ein gutes Heilmittel gegen Sprachbarrieren ist, verstand man sich bereits nach mehreren Halbe Bier prächtig, und der Abend gipfelte in einem Gelage von Schnapsrunden, Umarmungen und paneuropäischen Liebesbekundungen. Da der nette junge Ire für den Abend noch keine Bleibe hatte, beschloss der Flocki kurzerhand, ihn bei sich daheim unterzubringen. Also luden sie gemeinsam das spärliche Gepäck des Rucksacktouristen auf den roten Pick-up, obwohl der Flocki eigentlich nach all den Jägermeistern und Obstlern nicht mehr hätte fahren dürfen. Aber er wusste genau, wer an diesem Abend bei der Polizei Dienst hatte, und stieg deshalb beflügelt von geistigen Getränken und seiner neu geschlossenen Freundschaft in seinen Wagen, auf den er sehr stolz war. Um seinem neuen Kumpel zu demonstrieren, was sein Dienstfahrzeug so alles draufhatte, beschloss er eine kleine Abkürzung zu nehmen. Über den Fluss. Und zwar ohne dafür eine Brücke zu benutzen. Denn der Flocki wusste eine Stelle, an der der Fluss besonders schmal war. Genau so schmal, dass man mit dem richtigen Tempo drüberspringen konnte. Es mag sein, dass der Flocki seinen Alkoholpegel etwas unterschätzte, er meinte allerdings hinterher, er sei durch irgendetwas abgelenkt worden, aber auf jeden Fall gelang ihm der Sprung, den er schon so viele Male vorher erfolgreich durchgezogen hatte, diesmal nicht. Und zwar gar nicht. Die Schnauze des Pick-up war mit voller Wucht in das gegenüberliegende Flussufer gerammt, und als der Flocki ziemlich benommen seinen Kopf vom Lenkrad nahm und das ganze Ausmaß des Schadens erkannte, stellte er fest, dass sein gerade neu gewonnener Freund neben ihm keinen Muckser mehr machte. Und dem Flocki war just in dieser Sekunde klar, was das Schicksal ihm offensichtlich zum wiederholten Mal servierte: Er war schon wieder Zeuge eines Todes geworden. Viele Jahre später formulierte er es mir gegenüber so: »Der Typ war mausetot, des hab ich sofort gsehn!«
    »Ja, und? Was hast dann gemacht?«
    »Dann bin ich ausgstiegn und zum nächsten Bauern glaufen. Den Jungen kenn i guad.«
    »Do hast dann einfach geläutet, so um fünfe in der Früh, oder was?«
    »Naa, dann wärens ja alle wach worn. Ich hab Steindl an sein Fenster gschmissen, und dann hab ich zu ihm gsagt: I brauch a Schaufel!«
    »A Schaufel? Für was?«
    »Ja, zum Eingraben halt.«
    »Von was?«
    »Ja, von dem Iren. Weil der war ja maustot.«
    »Aber des hast du doch ned genau gwusst. Du hättst an Doktor holen müssen, Flocki!«
    »Geh, der hätt’ auch nix mehr macha können. Wenn einer tot is’, dann sieht ma des!«
    »Aha.«
    »Und es hat ja keiner gwusst, wo der is’, der Ire. Der war ja ganz allein unterwegs. Der is’ nirgends abgegangen!«
    »Aber du kannst doch nicht einfach einen Menschen, der bei dir im Auto liegt, eingraben. Tot oder nicht tot. Du musst doch da die Polizei rufen!«
    »Geh, Polizei, was meinst, was da los gewesen

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