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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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»vergnügungshungriger Großstädter, der es mit der Moral nicht so genau nimmt«. Es ging bei seinen Geschichten nämlich immer darum, dass die Frauen – immer sehr schöne Frauen, meistens aus Russland, Polen oder Tschechien – ihm allesamt anfänglich die große Liebe vorheuchelten, er aber irgendwann herausfand, dass der Gegenstand ihrer hingebungsvollen Zuwendung nicht er selber, sondern seine Wohnblöcke waren. Meine Mutter meinte irgendwann nach der vierten oder fünften dieser Erzählungen, die allesamt recht ähnlich verliefen, er solle sich doch einfach mal eine deutsche Frau suchen, anstatt immer nur auf den billigen, leicht zu durchschauenden Charme irgendwelcher Ostblockflitscherl reinzufallen. Ich glaube, das war der Tag, an dem wir ihn zum letzten Mal gesehen haben.
    Wir hatten ihm eh nie etwas abgekauft, insofern war es praktisch wurscht, aber ich glaube, meiner Mama tat es ein bisserl leid wegen der schönen, saftigen Geschichten von der Olga, der Natascha und der Ludmilla. Offensichtlich hatte sie beim Decken-Mann einen wunden Punkt getroffen, meine Mama. Tja, sie war halt immer schon eine sehr pragmatische und weise Frau, die auf hundert Meter gegen den Wind einen windigen Hallodri von einem anständigen Burschen unterscheiden konnte.
    Leider behielt sie ihr Urteil oft viel zu lang für sich und ging nicht damit hausieren. Wäre sie mit ihren Urteilen etwas extrovertierter, dann wäre sowohl mir und als auch Lothar Matthäus viel Elend erspart geblieben. Vorausgesetzt, der gute Loddar hätte sie jemals kennengelernt.
    Manche fahrenden Händler kamen tatsächlich nur vorbei, um etwas zu verkaufen, nicht, um eine Lebensbeichte abzulegen oder die neuesten Gerichte aus der Landkreis-Gerüchteküche zu verbreiten: Besen, Handfeger und Bürsten in jeglicher Form kaufte meine Mama zum Beispiel beim »Bürstenmann«. Schmierseife und Instantsuppenbrühe kaufte sie beim HAKA -Mann. Und dieser Mann war wirklich die beste Werbung für sein Produkt, denn wenn man den Typen mit einem Wort beschreiben müsste – und zwar Äußeres und Charakter –, dann würde man sich auf ein Adjektiv einigen müssen: schmierig. Der Mann hatte mehr Öl in den Haaren als Michel Friedman zu seiner Glanzzeit. Und wenn er mit seinem schlecht geschnittenen braunen Anzug aus seinem weißen VW Polo mit dem rot-blauen HAKA -Firmenlogo stieg, dann war meine Mutter schon drauf und dran zu fliehen. Sie wusste nur nicht, wohin. Außerdem hielt sie mein Vater immer auf und trieb sie beinahe zur Weißglut, weil er meinte: »Was stellst di denn a so an. Der HAKA -Mann is’ doch gut drauf, also i mog den!«
    Worauf sie zurückzischte: »Genau. Den mogst du natürlich. Dann hock dich halt du hin, lass dir den Zigarettenrauch um d’Ohren hust’n und hör’ dir seine dreckigen Witze an. Mir graust so vor dem!«
    »Warum kaffst ihm dann immer was ab?«
    »Ja, weil er die beste Schmierseife hat!«
    Dieses Argument saß. Gesagt, geraucht. Zehn Zigaretten, minutenlanges Gehuste und etliche schmuddelige Witze später war der Bestellzettel ausgefüllt, und meine Mama sah sich gezwungen, den Typen schnellstmöglich zum Gehen zu bringen, denn er war gerade dabei, eine unappetitliche Geschichte über einen sehr fidelen Gigolo im Altersheim seiner Mutter anzufangen. Mein Vater saß daneben und freute sich sichtlich. Nicht, weil die Geschichte so gut oder so lustig war. Das war sie nämlich überhaupt nicht. Nein, er freute sich, weil er wusste, dass meine Mutter innerlich kochte vor Wut und schon fieberhaft überlegte, wie sie sich das HAKA -Faktotum vom Hals schaffen könnte. Und da fiel ihr plötzlich wieder der Satz ein, der noch jedes Mal gewirkt hatte. Jedes Mal brachte sie nämlich den kettenrauchenden Schmierseifenmann damit um seine gute Laune und zum Gehen, indem sie den immergleichen verbalen Rausschmeißer anbrachte: »Rauch’ ned so viel von deinem Kartoffelkraut, dann musst ned so viel husten!«
    Die Raucherei war sein wunder Punkt. Was die Ostblockflitscherl für den Deckenmann waren, war die Raucherei für den HAKA -Mann. Ein Thema, das für Außenstehende tabu war. Dabei war, glaube ich, sein Raucherhusten gar nicht schlimm. Meiner Meinung nach hustete er immer demonstrativ, um von meiner Mutter endlich – wie der Hubert Kaspar eben auch – eine Tasse Kaffee oder Ähnliches zum Runterspülen zu bekommen, aber mit pornografischen Geschichten aus dem Altersheim seiner Mutter würde ihm das nie gelingen. Das hätte ich ihm

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