Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
Auch kein schwedischer Schafwoll-Bettvorleger für neunundzwanzig Euro. Der Flocki ist ein Unikum: eine fast drei Zentner schwere bajuwarische Naturgewalt, immer gut gelaunt, immer redselig, für jede Schandtat zu haben, durch nichts zu erschüttern und an jedem Tresen ein fleischiger Fels in der Spirituosenbrandung. Warum dieses Prackl von Mannsbild ausgerechnet den Spitznamen Flocki hat, weiß niemand mehr. Wie sein richtiger Vorname lautet, weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht, aber kein Taufname könnte seinem Charakter gerechter werden als Flocki, denn wo immer er auch auftaucht, ist er ein Garant für eben … flockige Stimmung.
Seine Anekdoten sind so legendär wie sein Stehvermögen am Tresen beziehungsweise sein Sitzfleisch am Wirtshaustisch. Und dass bei allen Geschichten vom Flocki auch immer ein wenig dazugedichtet, übertrieben und geflunkert wird, das ist kein Zeichen von überzogener Selbstdarstellung, sondern eben nur ein Hinweis auf seine exzellenten Entertainerqualitäten.
Wo genau der Flocki wohnt und wo genau dieser besagte Wirtshausstammtisch steht, das möchte ich nicht verraten, denn ich möchte weder ihm noch den anderen Stammtischlern zumuten, dass sie mit Horden von neugierigen Schaulustigen konfrontiert werden, die dann vielleicht in ebendieses Wirtshaus stürmen würden, weil sie sich einen unterhaltsamen Abend erwarten. Man denke nur an die vielen Ehepaare, die sich im Restaurant immer schweigend gegenüberhocken – oder noch schlimmer: nebeneinander sitzen –, weil sie sich schon seit Längerem nichts mehr zu sagen haben. Die würden dann ins Gasthaus Sowieso nach Dingenskirchen fahren, um sich bei einem Glas Trollinger Mädchenschreck ein kostenloses Kabarettprogramm vom Flocki servieren zu lassen. Nein, das wäre ihm nicht recht. Der Flocki braucht einen kleinen intimen Rahmen als Bühne. Und ich keine Konkurrenz, die wesentlich besser ist als ich. Ha!
Eigentlich ist der Flocki ja gelernter Elektriker. Da er aber immer schon eine ausgeprägte Aversion gegen Hierarchien und starre Arbeitsstrukturen hatte, arbeitet er heute als »Mobile Facility Manager«, also als freischaffender Hausmeister. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Flocki mit einem roten Pick-up mit allerhand Gerät und Werkzeug hinten auf der Laderampe von Stammlokal zu Stammlokal schuckelt, denn als sein eigener Herr entscheidet er selbst, ob die Mittagspause eine Stunde dauert oder halt den ganzen Tag. Der Flocki ist eben ein Freigeist, der sich nicht gern etwas sagen lässt. Auch nicht von einer Frau. Und da liegt der Hund begraben, der Hase im Pfeffer, das Lamm in der Salzkruste, denn der Flocki als freischaffender Künstler sucht zwar keinen Dauerauftrag bei der holden Weiblichkeit, möchte aber nicht gänzlich auf das Damenprogramm inklusive diverser Wartungsarbeiten verzichten. Außerdem ist er – obwohl selber optisch nicht gerade ein klassischer Anwärter auf den BRAVO -Starschnitt – ziemlich gschleckert, also wählerisch. Aber das ist ja oft so: Die hässlichsten, ungepflegtesten Männer haben die größten Ansprüche. Wobei, ungepflegt ist er nicht, der Flocki. Ein bisserl verwahrlost halt, aber auch nicht mehr, als es eben Männer sind, die schon längere Zeit ohne weibliche Rundumbetreuung auskommen müssen. Und obwohl selber sehr füllig bis gewampert, bevorzugt der Flocki eher einen zarten, mädchenhaften Typ Frau, die aber trotzdem weibliche Rundungen an den richtigen Stellen haben sollte. Außerdem muss sie lieb sein, anschmiegsam, einen treuen Blick sollte sie haben und eine schöne Stimme. Diese muss sie aber nicht unbedingt einsetzen, denn wie pflegt der Flocki immer zu sagen: »Reden brauchts’ ned, weil des mach ja ich!«
Der langen Rede kurzer Sinn: Da eine solch anschmiegsame, schweigsame, zierliche Person sowohl in Ober- und Niederbayern als auch in der angrenzenden Oberpfalz als Rarität gilt und schwerer aufzutreiben wäre als ein veganer Metzger, fährt der Flocki jedes Jahr für zwei Monate voller Tatendrang nach Thailand. Böse Zungen behaupten: mit mehr Drang als Taten. Bei der Rückkehr ist nicht nur Flockis Geldbeutel ein bisschen leichter, sondern auch er selber hat unter dem Einfluss der gesunden thailändischen Küche und aufgrund der körperlichen Betätigung ein paar Kilo abgenommen, und die mittelblaue Latzhose ist nicht – wie sonst – über seinem betonharten Bauch zum Platzen gespannt, sondern sitzt durchaus luftig über Flockis Astralkörper. Das heißt, wenn
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