Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
nachgeschoben, und ein kleiner Klacks Krautsalat hilft beim Abfedern. Darauf einen doppelten Obstler. Und einen für die Küche. Fürs gute Essen, die großen Portionen und überhaupt.
So sehr sich die Maria auch um die ordnungsgemäße Vertilgung ihrer Gerichte kümmert, so wenig bedeutet ihr Inneneinrichtung oder gar Dekoration: In den Vorhängen der Gaststube dürfte mehr Nikotin und Teer hängen als in den Lungen von Helmut Schmidt, und auf den nackten Wirtshaustischen der Marke spätes Resopal stehen lediglich eine Ladung Bierdeckel, die so oft benutzt wurden, dass sie schon ganz fleckig sind und sich an den Enden leicht aufdrehen, dazu kommt noch ein kleines geflochtenes Körbchen mit Salz- und Pfefferstreuer und Zahnstochern. Von einer Pfeffermühle oder gar Essig- und Ölkaraffen hat die Maria noch nie etwas gehört. Servietten kriegt jeder, der etwas zu essen bestellt, denn das Besteck wird immer in die Gratisservietten der örtlichen Raiffeisenbank eingewickelt. Einen Zuckerstreuer wird man im ganzen Wirtshaus nicht finden, was daran liegt, dass die Maria keinen Kaffee anbietet und sich im ganzen Haus auch keine Kaffeemaschine befindet, mit der Begründung: »Die Leut sollen a Bier saufen, da is’ wenigstens was verdient.« Wer ein Radler oder gar so etwas Ausgefallenes wie eine Coca-Cola light möchte, wird sich mit Wasser, dem einzigen alkoholfreien Getränk in der Casa Maria, begnügen müssen, denn: »Für des ganze neumodische Zeug musst nach München einifahren!« Ich glaube, der Begriff »Servicewüste Deutschland« ist in Marias Wirtshaus entstanden.
Einmal wollte der Flocki statt der üblichen acht bis vierzehn Halbe Bier lieber einen Weißwein, denn der Arzt bei der MPU -Untersuchung hatte seine Cholesterinwerte bemängelt. Weißwein bei der Maria? Das hatte es vorher noch nie gegeben. Sie überlegte kurz und zog dann, leise vor sich hinschimpfend ob der obskuren Bestellung, aus den Untiefen ihrer Kühlung einen staubigen Boxbeutel einer nicht näher definierten Marke hervor und schenkte dem Flocki ein Halbeglas voll. Dieser soff die ganze Halbe Weißwein in einem Zug aus, stellte das Glas mit einem genüsslichen »Aaahhh« auf den Tresen und meinte zur Maria: »Der is’ guad, da kannst mir ein Glaserl einschenken.«
Wenn die Maria in der Gaststube mal den Boden feucht gewischt hat, dann ist davon auszugehen, dass sie das nicht aus Hygienegründen gemacht hat, sondern sich wieder mal ein besonderes Ereignis außer der Reihe zugetragen hat, zum Beispiel der Geburtstag vom Fipsi vor einigen Jahren, zu dem ihm seine Stammtischfreunde eine Stripperin geschenkt hatten, die dann mit Sprühsahne, Sekt und Babyöl an dem Geburtstagsobjekt zugange war und dabei den Fliesenboden der Gaststube etwas einsaute, der farblich irgendwo zwischen Lodengrün und Silobraun changierte. Oder wie damals, als der Birnbeck Rudi mit dem Flocki gewettet hat, dass er sein Pferd, den Tscharlie (wie der Tscharlie aus den Münchner Gschichten ), dazu kriegt, sich neben ihn an die Theke zu stellen. Was sie dann tatsächlich dadurch schafften, dass sie den gutmütigen Tscharlie aus einem Tablett saufen ließen, das die Maria vorher mit Bier vollgeschüttet hatte, und sich dabei – ganz langsam, Schritt für Schritt – immer weiter an die Theke vorarbeiteten, bis das arme Viech irgendwann zwischen dem Flocki und dem Birnbeck Rudi am Tresen stand und versuchte, aus dem randvollen Aschenbecher zu fressen, sich dann aber damit begnügte, den Schaum von Flockis Hellem zu schlecken. Ein Anblick, den selbst die gute Maria, die in ihren über fünfzig Jahren als Wirtin schon viel gesehen hatte, nicht alle Tage genießen durfte. Deshalb machte sie ein Foto von den drei Rossschädeln, das seitdem neben dem Spender mit der 1,5-Liter-Flasche Asbach Uralt hängt.
Aber zurück zur lebensrettenden Aktion vom Flocki. Der Flocki erzählte mir die Geschichte ungefähr so: An einem lauen Sommerabend gegen Viertel nach zehn Uhr abends wollte der Flocki nach getaner Schwerstarbeit – er hatte grad eine Baustelle, von der er sich nur schwer untertags auf ein kleines Reparaturpils loseisen konnte – noch auf einen kleinen Absacker zur Maria. Auf dem Weg dahin fiel ihm zwar ein, dass es Montag war und die Maria eigentlich Ruhetag hatte, aber das hatte ihn eigentlich noch nie abgehalten, schließlich war die Maria immer daheim – sie wohnte ja über der Wirtschaft – und hatte ihm trotz Ruhetag noch immer ein paar Halbe gezapft. Außerdem
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