Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
würde sie an einem herrlichen warmen Sommerabend wie diesem bestimmt selber in ihrem Biergarten sitzen, und wenn er Glück hatte, hatte der eine oder andere Stammgast denselben Gedanken wie er selbst gehabt und würde auch da sein. Schon am Parkplatz stellte er fest, dass offensichtlich niemand da war beziehungsweise diejenigen schon wieder gegangen waren. Aber die bunten Glühbirnen der Biergartenbeleuchtung warfen ein schummriges Licht auf die grünen Eisentische und die ebenso grünen Klappstühle und tauchten den ganzen Biergarten mit seinem alten Baumbestand in ein warmes, gemütliches Feierabendschoppenlicht. Als er durch den Kies näher kam, sah er, dass der Biergarten vollkommen leer war, aber in der Küche Licht brannte, und gerade als er bei den Stufen war, die zur Haustür hochführten, hörte er ein komisches Geräusch. Fast wie ein unterdrücktes Stöhnen. Aber es war nichts zu sehen. Als er auf der zweiten Stufe war, wieder dieses Geräusch. Wie ein dumpfes Gewimmer, das weit weg zu sein schien. Als er sich umdrehte und seine Augen sich an das schummrige Licht gewöhnt hatten, sah er plötzlich, dass etwas aus einem riesigen leeren hölzernen Blumenkübel herausragte. Es waren das Hinterteil und die Beine der Wirtin, der Maria. Sie hatte eine dunkle Kittelschürze an, nur noch einen Pantoffel am Fuß und steckte bis zur Hüfte in dem Blumenkübel. Aber ihre Hände hatte sie draußen, denn in der einen Hand hielt sie – und hier schwor Flocki Stein und Bein, dass er die Wahrheit sagte – einen Teller mit Wurstsalat und in der anderen einen vollen Brotkorb. Und sowohl vom Wurstsalat als auch vom Brotkorb hatte sie kein bisschen verschüttet.
Als der Flocki ihr aus dem Kübel geholfen und sie auf größere Blessuren untersucht hatte, erzählte sie ihm, dass sie sich mit ihrem Abendessen auf die Terrasse setzen und den lauen Sommerabend genießen wollte, aber mit den glatten Hausschuhen auf dem rutschigen Kies das Gleichgewicht verloren hatte, jedoch auf keinen Fall den guten Wurstsalat hatte fallen lassen wollen. Und so rumpelte sie kopfüber in den Blumenkübel, ohne jedoch den Teller und das Brotkörbchen loszulassen. Der Flocki wollte ihr gegenüber gleich klarstellen, wie lebensnotwendig sein Auftauchen für sie gewesen sei: »Da wenn ich ned kommen wär’, da wärst derstickt in dem Kübel. Oder erfroren, weil gehört hätt’ dich in dem Fall keine Sau!«
Von der Maria bekam der Flocki jedoch weder Dankbarkeit noch die erhofften Biere als Belohnung, denn sie konterte nur: »Und warum bin ich überhaupt reingefallen in den Blumenkübel, ha? Weil der Herr Superhausmeister den immer noch ned bepflanzt hat, wie er’s mir schon vor drei Monaten versprochen hat.«
Trotz Marias »völlig unnützem Gerede« fuhr sie der Flocki doch in die Notaufnahme der Kreisklinik, denn sie hatte offensichtlich ein paar gröbere Schürfwunden abbekommen. Außerdem war ihm die Lust auf ein Feierabendbier vergangen bei so wenig Verständnis für seinen dichten Zeitplan.
Inzwischen ist aber auch der Flocki etwas ruhiger geworden: Er geht nicht mehr jeden Abend aus, sondern nur noch an ungefähr vier bis fünf Tagen die Woche, und auch nach Thailand möchte er in diesem Jahr nicht mehr fliegen, hat er doch das Gefühl, dass ihm auch dort nicht die gewünschte Dankbarkeit entgegengebracht wird. Der Flocki hat nämlich seit Längerem schon einem speziellen Mädel, in das er sich »ein bissl verschaut« hat, immer etwas Geld für sie, ihre Kinder und ihre Eltern geschickt. Doch wird er das Gefühl nicht los, dass die Verliebtheit recht einseitig ist und die Dame es während seiner zehnmonatigen Abwesenheit mit der Treue nicht so genau nimmt und noch mehr Ausländer während ihres Thailandurlaubs dauerhaft »begleitet«, um danach auf diverse Geldkuverts vor allem aus Deutschland zu warten. Das stinkt dem Flocki ein bisschen. Freilich ist er nicht so naiv zu glauben, dass diese Frauen, die meist die einzigen Ernährer von mehrköpfigen Familien sind, sich mit Männern wie ihm nur aus reiner Sympathie oder gar Lust am exotischen Abenteuer mit einem verschrobenen Bayern abgeben, aber er hätte sich halt doch – gerade von diesem einen Mädel – etwas mehr erwartet, denn: »Weißt, a jeder braucht an Menschen, wo er sich daheim fühlt.«
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