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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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der Bräutigam immer noch in seiner »Wickie und die starken Männer«-Kinderbettwäsche schlief, nie ausländische Gerichte probierte (»Was der Bauer ned kennt, des frisst er ned!«) und auf die Kastelruther Spatzen stand. Kein Wunder, dass die Braut sich auf der Stelle in ihn verliebte, als sie sich zum ersten Mal bei einem Zweitagesausflug der Landjugend begegneten: Bereits an ihrem ersten gemeinsamen Abend war sie offenbar so betrunken, dass sie die ganze Nacht auf dem Klo verbrachte, wo ihr ihr Zukünftiger die Haare aus dem Gesicht hielt, damit sie dieselben nicht vollkotzte. Seitdem liebte sie ihn. Und er sie. Er liebte sie sogar so sehr, dass sie ihn schließlich davon überzeugen konnte, kein überdimensionales FC -Bayern-Logo auf die Nordseite ihres gemeinsamen Eigenheims pinseln zu lassen, was von jeher ein Kindheitstraum von ihm gewesen war.
    Selbstverständlich mussten wir als beste Freundinnen der Braut auch unseren Teil an Spötteleien beitragen und hatten extra für die Hochzeit einen Sketch einstudiert, bei dem die Braut von einem Mann gespielt wurde. Ich kann nicht mehr sagen, ob wir uns an den ursprünglich erdachten Text gehalten haben, weil ich zum Zeitpunkt der Aufführung schon zu beschwipst war – Günter rieb nämlich ständig lasziv sein Hinterteil an meiner durchgeschwitzten italienischen Seide, während wir schunkelnd auf den Bierbänken hintereinander standen –, ich weiß nur noch, dass das Publikum sehr gejohlt hat. Noch besser wurde die Stimmung allerdings, als das »Monatssaufen« begann. Dabei handelt es sich um ein Saufspiel, das so etwas war wie das Komasaufen der Achtzigerjahre. Die Band stimmt dabei folgende Melodie an: »Und wer im Januar Geburtstag hat, sauf aus, sauf aus, sauf aus.« Also mussten alle diejenigen, die im Januar geboren waren, ihr volles Glas ex trinken und danach ihr Glas umdrehen, um zu schauen, ob das köstliche Gesöff auch bis zum letzten Tropfen vernichtet worden war. Mogelte jemand oder wurde dabei erwischt, dass er seinen Wein mit Wasser verdünnt hatte, musste er eine vom Progoder oder der Kapelle gestellte Aufgabe erfüllen.
    Als wir beim Monat Juni angelangt waren, war mir bereits klar, dass – egal, ob ich mein Glas auch noch so brav leeren würde – ich auf jeden Fall dran sein würde. Und siehe da: Irgendein kleines imaginäres Tröpflein wurde von allen klar und deutlich gesichtet, und meine »Strafe« bestand darin, dass ich allen Musikern einen Kuss auf den Mund geben musste. Schlagartig war ich wieder nüchtern. Ich war zwar schon einundzwanzig, hatte aber noch nie einen Mann auf den Mund geküsst. Und jetzt gleich vier Stück! Hintereinander! Auch den feschen Gitarristen! Und vor allen Leuten! Aber welche Wahl hatte ich schon? Die schadenfrohe Menge johlte, klatschte und peitschte mich nach vorn. Ich fing mit dem unattraktivsten Musiker an, nämlich dem kleinen dicken Schlagzeuger, der offensichtlich genauso schüchtern war wie ich und sich mit einem flüchtigen Bussi begnügte, das von meiner Wange in Richtung Ohr abrutschte. Puh, Glück gehabt. Die anderen beiden waren ebenso brav und ließen gleich wieder von mir ab, aber der Gitarrist freute sich diebisch, und als ich näher kam, riss er mich an sich und küsste mich lange und fest auf den Mund, wobei er mich umarmte und rückwärts über sein Knie legte. Und zwar so schwungvoll, dass der Träger von meinem Spaghettiträgerkleid riss. Da stand ich also: Meinen (quasi) ersten Kuss auf den Mund hatte ich am helllichten Tag im Innenhof einer Bauernwirtschaft vor über zweihundert leicht bedudelten, grölenden Hochzeitsgästen, die rhythmisch dazu klatschten, von einem Gitarristen bekommen, der erst von mir abließ, als er mir den Träger von meinem Kleid abgerissen hatte. Und so trabte ich mit hochrotem Kopf, den Träger von meinem Kleid festhaltend und damit den fleischfarbenen BH verdeckend, auf meinen Platz zurück. Ich war bedient. Am liebsten hätte ich losgeheult.
    Irgendein weiblicher Hochzeitsgast hatte Gott sei Dank eine Sicherheitsnadel dabei, damit ich nicht völlig im Freien stand. Allerdings war mein Fauxpas schnell vergessen, denn jetzt waren andere dran, sich zum Deppen zu machen: Es war nämlich inzwischen Zeit für die lustigen Spiele. Bei diesen Spielen musste das Brautpaar zusammen mit anderen Hochzeitsgästen bestimmte Aufgaben erfüllen, zum Beispiel stellten sich fünf männliche Hochzeitsgäste zusammen mit dem Bräutigam auf einen Stuhl, entblößten dabei ihren

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