Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
hatte so was vermutet, aber jetzt ist es traurige Gewissheit. Der heilige Kevin, wer sollte das auch sein: der Schutzpatron der Skateboarder? Oder die heilige Mandy? Wessen Schutzpatronin sollte sie sein? Die der Nagelkosmetikerinnen? Der Laufhaus-Schönheiten? Gut, als Eltern braucht man sich ja auch keinen Heiligen als Namenspatron aussuchen, da die Kinder ja heute das ganze Jahr über geradezu mit Geschenken zugeschissen werden. Da kann man auf einen weiteren Geschenktag ruhig verzichten.
Aber ich frage mich immer verzweifelt: Gibt es irgendeine besondere Geschichte, einen tieferen Sinn hinter der Tatsache, dass es Menschen gibt, die ihr Kind Mailo Ibrahim Hieronymus oder Stuart Heinz nennen? Handelt es sich hierbei um eine Kombination aus einem Lieblingspopstar, einem befreundeten Iman, den man im Türkeiurlaub vor fünf Jahren kennengelernt hat, und einer Reminiszenz an Opa Heinz? Wünschen sich die Eltern, dass ihr Kind im Kindergarten oder in der Schule ausgelacht wird, weil sie glauben, dass es somit besser auf die Härte des Lebens vorbereitet wird? Wenn sie bei der Zeugung nüchtern waren, warum waren sie dann bei der Namensfindung in einem monatelangen Dauerdelirium? Oder ist ihnen das alles einfach völlig egal und sie nennen ihr Kind nur aus dem einen Grund Pumuckl, weil es die beste Kindersendung aller Zeiten war? Oder war die Hebamme schuld? Als nämlich der kleine Zwerg am Tag seiner Geburt rausflutschte, schrie sie laut vor Entzückung: »Es is’ ein Bub, und er schaut aus wie da Pumuckl!« Obwohl: Die Einzigen, bei denen dieser Satz tatsächlich zutreffen könnte, wären wahrscheinlich die Besenkammererzeugnisse von Boris Becker.
Ich glaube ja, dass sich manche Menschen den Namen für ihr Haustier besser überlegen als den Namen für ihr Kind. Und dass sie länger darüber diskutieren, ob nun der furnierte Couchtisch aus der frühen Resopalepoche zur blauen Alcantaracouch aus der späten IKEA -Phase passt als der gewählte Kindsname zum Familiennamen.
Vielleicht haben sie aber schlicht und ergreifend überhaupt keinen Sinn für Ästhetik und kein Gespür für Symmetrie und Harmonie und tragen aus diesem Grund gern Trekkingsandalen zur Anzughose beziehungsweise zum Sommerkleid. Das würde erklären, warum es Kinder mit folgenden Namenskombinationen gibt: Cinderella Lettenbichler, Romeo Rock Hinterhuber oder Amber Rose Hühnerbein. Bleibt nur zu hoffen, dass diese armen Hascherl später keinen Beruf ergreifen, bei dem sie gezwungen sein werden, ein Namensschild am Kragen oder auf dem Kittel zu tragen. Obwohl der Name Amber Rose Hühnerbein für viele Kunden an der heißen Theke in der Metzgerei Stuhlberger vielleicht sogar verkaufsfördernd, weil appetitanregend sein würde.
Und für den kleinen Rokko Elvis Niedermaier gibt es ja die Resthoffnung, dass er einmal bei »Voice of Germany« gewinnen und als künftiger Rockstar dann nur noch seine beiden Vornamen brauchen wird oder von allen einfach nur »The Rock« genannt werden wird.
Wie sich allerdings die Lehrkräfte in den Schulen heutzutage Namen wie Alucia Maruja Naja, Lajos Elijah, Alvaro Noah Quirin, Anakin Levin oder Ninja Makana merken sollen, ist mir absolut schleierhaft. Ich an deren Stelle würde einfach durchnummerieren: »Nummer vierzehn, zum Diktat an die Tafel, und wenn du noch einmal bei Nummer dreizehn abschreibst, dann fangst a paar!«
Eine befreundete Lehrerin hat mir übrigens erzählt, dass sie bei Kindern, die ausgefallene Namen tragen, immer schon vorab weiß, was für Eltern da zum Elternsprechtag angetrabt kämen. Die Mutter der kleinen Holly Finja hat zum Beispiel ihrem Kind folgende Entschuldigung für die Lehrerin mitgegeben: »Die Holly Finja konnte die Hausaufgaben nich machen, wir waren shoppen.«
Erlaubt ist in Deutschland mittlerweile fast alles, auch Namen wie Armani Karl-Heinz, Prada, Rolex, Sunil, Lenor, Winnetou und sogar Tarzan. Auf den Standesämtern gibt es in solchen Härtefällen eine Erklärung, die die Eltern unterschreiben müssen, um nachzuweisen, dass sie darüber aufgeklärt wurden, dass ihr Kind aufgrund des ausgefallenen Namens eventuell Probleme bei der Sozialisation haben könnte. Mein Freund Karli arbeitet seit über zwanzig Jahren in einem Münchner Standesamt, und er meinte einmal zu mir: »Des is’ dene alles wurscht, die unterschreiben immer . Moni, ich hab oft das Gefühl, ich hab beim Untergang des Abendlandes einen Logenplatz gebucht!«
Ich sag dann zu ihm: »Wenn ich der Gesetzgeber
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