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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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veranstalten würde, antwortete ich nur: »Ich übe.« Obwohl ich wusste, dass ich niemals im Leben so gut sein würde wie meine Idole, war ich mir vollkommen sicher, dass die Schauspielerei der einzig richtige Beruf für mich sei.
    Ich zog mir alles rein, was meine Eltern mir erlaubten, und auch das, was sie mir nicht erlaubten: Kinderfilme, Westernserien, deutsche Serien von »Schwarzwaldklinik« bis zum »Traumschiff«, natürlich die bekanntesten amerikanischen Serien wie »Dallas«, »Denver-Clan«, »Magnum« und »Falcon Crest«, ich habe alle Folgen von »Rudis Tagesschau« gesehen, Didi Hallervordens »Nonstop Nonsens« und alles von Loriot. Sonntagabends lief im Bayerischen Fernsehen immer »Das Königlich Bayerische Amtsgericht«, oft gefolgt von einem »Komödienstadl«, der damals noch keine Themaverfehlung war, sondern den bekanntesten und beliebtesten bayerischen Volksschauspielern eine schöne Plattform bot: Ich liebte Maxl Graf, Michl Lang, Gustl Bayrhammer, Ludwig Schmidt-Wildy, Erni Singerl, die oft gar nichts sagen mussten, um komisch zu sein.
    In der Ferienzeit schlich ich mich oft nachmittags unbemerkt ins Wohnzimmer, schnappte mir ein Kissen, setzte mich ganz nah ans Gerät und schaltete es ein, um das »Ferienprogramm« zu schauen, obwohl meine Eltern es lieber hatten, dass ich draußen spielte. Ich konnte nur auf niedrigster Lautstärke schauen, sonst hätte mich irgendwer gehört und mich ins Freie verbannt.
    Und an ganz seltenen Tagen, wenn niemand außer Oma und Opa zu Hause waren, war ich der glücklichste Mensch der Welt, denn ich war die alleinige und zeitlich unbegrenzte Herrscherin über fünf (!) Programme: ARD , ZDF , Bayerisches Fernsehen, ORF 1 und ORF 2. Besonders die Samstagnachmittage liebte ich, denn auf ORF 1 und 2 liefen meist Schwarz-Weiß-Filme mit Hans Moser und Paul Hörbiger, Fünfzigerjahre-Heimatschnulzen oder Hollywoodfilme mit Gene Kelly, Fred Astaire oder Doris Day. Und für ein paar Stunden war ich in einer völlig anderen Welt: einer Welt von Glamour, wunderbarer Musik, schönen Frauen und lustigen Begebenheiten. Ich liebte die Filme mit Jerry Lewis und Dean Martin, ich staunte über Louis de Funès, und ich war der größte Fan von Peter Alexander, der singen, tanzen und schauspielern konnte und dabei der charmanteste Entertainer seiner Zeit war.
    Obwohl ich mir so sehr wünschte, Menschen mit meinem Talent ebenso unterhalten zu können wie diese Künstler, hätte ich mich während meiner Schulzeit am Gymnasium nie getraut, mich als Mitglied der Schultheatergruppe zu bewerben. Nicht, weil die Stücke so anspruchsvoll waren – das waren sie natürlich dank der Auswahl von Herrn Kretschmann, dem Leiter der Theatergruppe, schon –, sondern in erster Linie, weil ich dafür akzentfrei Hochdeutsch hätte sprechen müssen. Dies stellte bei meinem Carolin-Reiber-R ein nahezu aussichtsloses Unterfangen dar. Also verhielt ich mich still und beneidete meine Mitschüler, so zum Beispiel Tobias Berg, der in den Schulaufführungen mit Talent, Verve und Charme glänzte. Und einem makellosen Hochdeutsch. Verdammt.
    Aber es musste doch einen Weg geben, um trotzdem auf die Bühne zu kommen, die oft zitierten Bretter, die die Welt bedeuten? In meinem Fall waren es dann vielleicht eher Brettl. Und zwar die Dielenbretter vom Gasthof Rauch in Grucking: Dort nämlich führte die Katholische Landjugend Reichenkirchen jedes Jahr einen bäuerlichen Schwank unter der Regie unseres Chorregenten Franz Xaver Hintermeier auf, und ich durfte ein paar Jahre in so kulturellen Highlights wie »Bäckermeister Striezel« mitwirken. Ich glaube, ich war lausig und habe meine mangelnde Bühnenerfahrung und fehlende Sprechtechnik mit Lautstärke und Grimassen kompensiert – einem Stilmittel, dem ich wohl auf der Bühne treu geblieben zu sein scheine. Aber: Die Gemeindemitglieder, Nachbarn und Verwandten, die unten im Publikum saßen, lachten! Tatsächlich! Und zwar bei allen gedachten Pointen. Vielleicht in erster Linie, weil sie mich lächerlich fanden, aber egal: Zumindest lachten sie. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, ich kann es – ich kann Menschen zum Lachen bringen. Und sei es nur durch mein blödes Gschau. Egal.
    An dieser Stelle kommt normalerweise dann immer die zweithäufigste Frage, die mir in den letzten Jahren gestellt worden ist: Warum, Frau Gruber, sind Sie dann nicht nach dem Abitur auf die Schauspielschule gegangen?
    Ja, warum nicht? Ehrlich gesagt, weil ich mir nicht

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