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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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würde einfach einen Termin bei Herrn Maier machen und zu ihm sagen: »Herr Maier, da wär’ ich. Ich würd’ gern bei Ihnen spielen!«
    Und das tat ich dann. Genau so.
    Georg Maier blinzelte mich aus blauen Augen an und strich amüsiert über seinen gepflegten Bart: »Aha«, sagte er. »Sie san also jetzt da, Frau ähhhhh, wie war der Name?«
    »Gruber. Monika Gruber.«
    »Frau Gruber, aber was ham Sie denn für eine Schauspielausbildung?«
    »Ja, ähhhh … keine. Aber des macht nix, weil des, was Sie von mir brauchen, des kann ich.«
    Angesichts von so viel Frechheit und Anmaßung musste Georg Maier wieder amüsiert lächeln.
    »Sie ham also nicht amal eine Sprechausbildung?«
    »Nein, aber dafür a schönes Bayerisch!«
    »Stimmt, aber wissen Sie, Frau … ähhh … Gruber, wir sind zwar nur eine kleine Bühne, aber ich arbeite schon am liebsten mit Schauspielern, die wissen, was sie tun.«
    »Ich bin mir sicher, Herr Maier, ich würd’ mich ned schlecht schlagen.«
    Kurzes Zucken um seine Mundwinkel. Nippen am Haferl Cappuccino.
    »Das glaub ich Ihnen sogar, aber jetzt mach ma’s so: Sie nehmen Schauspielunterricht, ein halbes Jahr, ein Jahr und dann schaun’s wieder bei mir vorbei, und dann könn’ ma ein Vorsprechen machen.«
    »Ja, und könnten Sie mir da eine gute Schule empfehlen?«
    »Die Schauspielschule Zerboni, die is’ privat, aber ned schlecht.«
    »Ja, dann frag ich da mal an.«
    »Des machen’s, Frau … wie war der Name?«
    »Gruber. Und dann meld’ ich mich wieder bei Ihnen.«
    Wenn man schon bei einer so kleinen, rustikalen Bühne Schauspielunterricht braucht, dann würde ich mich eben gleich bei einer renommierten Schauspielschule bewerben. Jetzt, wo ich diesen Schritt endlich machte, sollte es die beste Schule sein und nicht »Lissis Sprechtechnikkurs«, den eine alkoholkranke Exschauspielerin in ihrer Zweizimmerwohnung im Rückgebäude eines abgeranzten Giesinger Mietshauses gab, die irgendwann vor dreißig Jahren in einer Schiller-Aufführung eines Münchner Kellertheaters den dritten Räuber von rechts gespielt hatte. Mein größtes Problem war nur: Ich war bereits siebenundzwanzig Jahre alt, und somit war es theoretisch schon zu spät, um eine Schauspielausbildung zu beginnen. Theoretisch. Praktisch sah es so aus: Ich war Chefsekretärin in einer amerikanischen Computerfirma, hatte ein Einser-Abitur in der Tasche und eine abgeschlossene Ausbildung zur Europasekretärin, und ich jobbte seit vierzehn Jahren regelmäßig nebenbei in der Gastronomie. Was konnte mir also im schlimmsten Fall passieren? Ich könnte als Schauspielerin nicht genug Geld verdienen, um davon leben zu können. Dann würde ich eben mit Kellnern etwas dazuverdienen, und sollte ich langfristig von der Hand in den Mund leben müssen, dann würde ich als Sekretärin für längere Zeit ins Ausland gehen – was ich eh schon längst hätte tun sollen – oder mein eigenes Lokal eröffnen, falls mir irgendeine Bank der Welt dafür Geld geben würde.
    Falls mich eine Schule nehmen sollte, würde ich meine Lebenshaltungskosten komplett mit Kellnern verdienen müssen. Ich kritzelte eine grobe Übersicht meiner monatlichen Kosten auf die Rückseite einer Faxbestätigung:
    ♦ Kreditrate für die Eigentumswohnung, die ich auf keinen Fall aufzugeben gedachte
    ♦ Nebenkosten der Wohnung
    ♦ private Krankenversicherung, die ich auch auf gar keinen Fall aufzugeben gedachte, denn dass wir einem Zwei-Klassen-Gesundheitswesen entgegensegelten, war mir bereits damals klar
    ♦ Auto
    ♦ Versicherungen
    ♦ Lebenshaltungskosten
    ♦ eventuell Schulkosten
    Puh, eine stolze Summe, die da unter dem Strich zusammenkam. Und da war noch kein einziges neues Paar Schuhe mitgerechnet. Ich brauchte, um meinen Lebensstandard halten zu können, mindestens einen zweiten Kellnerjob, wenn nicht einen dritten. Meine Eltern anzupumpen wäre nie für mich infrage gekommen: Es war mein Leben und meine Entscheidung.
    Das war der Plan. Also kündigte ich meine Stelle bei der Computerfirma, ohne zu wissen, ob mich überhaupt eine Schauspielschule der Welt aufnehmen würde. Aber: No risk, no fun.
    Und es war in der Tat nicht so leicht, wie ich dachte: Die staatlichen Schauspielschulen, zum Beispiel die Otto-Falckenberg-Schule in München oder auch das Max-Reinhardt-Seminar in Wien, würgten meine Anfrage nach einer Bewerbung bereits nach wenigen Sätzen ab, als sie mein Alter hörten. Die Dame von der Falckenberg-Schule lachte sogar, während sie zu mir

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