Man tut, was man kann (German Edition)
die Adoptionsformalitäten für uns beide beschleunigen könnte. Ich spürte, dass Fred sich unwohl fühlte. Er sah sich wahrscheinlich schon mit Glöckchenhalsband und selbstgestricktem Leibchen durch die Fußgängerzone tippeln. Ich verabschiedete mich deshalb rasch, musste Ulrike aber versprechen, mich mal mit ihr auf einen Tee zu treffen. Bislang hat sich das nicht ergeben, vermutlich weil ich am nächsten Tag die Route geändert habe.
Inzwischen hat sich im Stadtpark herumgesprochen, dass Fred und ich bei unserem imaginären Marsch durch die Wildnis nicht gestört werden möchten. Ordentliche Hundebesitzer mit gut sozialisierten und folgsamen Tieren machen einen großen Bogen um uns, im Gegenzug würdigen wir die Hundespielwiese, wo reinrassige Exemplare heiter mit Bällen tollen, während sich ihre Herrchen und Frauchen angeregt über Immobilienschnäppchen austauschen, keines Blickes.
Fred ist maulkorbpflichtig, hat aber das Gestänge bei der Jagd nach einer Spitzmaus kürzlich im Gestrüpp verloren. Ich habe das bislang im Tierheim noch nicht gebeichtet, weil ich um meine Lizenz als ehrenamtlicher Hundeausführer fürchte. Mehr noch ängstigt mich aber die Vorstellung, mir eine halbstündige Gardinenpredigt von Frau Dr. Korff, der Leiterin des Tierheims, anhören zu müssen. Wenn irgendwann auffliegt, dass Fred und ich illegale Spaziergänge unternehmen, dann werden wir wohl mit empfindlichen Sanktionen zu rechnen haben. Die Drückerkolonne des Ordnungsamtes, die sich morgens immer im Park herumtreibt, hat uns bereits zweimal erwischt, es aber bislang noch bei strengen Ermahnungen belassen. Dabei kam aber auch zur Sprache, dass diskutabel wäre, ob Fred an einer zehn Meter langen Leine geführt werden dürfe, weil er nämlich als halber Bullterrier zu den Kampfhunden gezählt werden könne und dann nur einen gesetzlichen Anspruch auf eine Leine von einem Meter fünfzig hätte. Fred hat dieses Gespräch mit Interesse verfolgt, ich glaubte aber, ihm den Gleichmut eines notorischen Kriminellen ansehen zu können.
Jedenfalls habe ich beschlossen, nochmal zu der Stelle zu gehen, wo Fred seinen Maulkorb verloren hat. Vielleicht finde ich ihn und kann damit weiteren Scherereien aus dem Weg gehen.
Die Sache gestaltet sich komplizierter als erwartet. Dort, wo zuvor das Gestrüpp war, steht nun ein Feldhäcksler, der bereits einen großen Teil der Dornbüsche zerkleinert hat. Momentan beschäftigen sich die städtischen Arbeiter aber offenbar mit ihrem zweiten Frühstück, weshalb ich wahrscheinlich Gelegenheit habe, nach Freds Maulkorb Ausschau zu halten. Beim Näherkommen fällt mir auf, dass die Männer keineswegs Pause machen, sondern etwas ratlos vor ihrer schweren Maschine stehen.
Aufgrund einer Vorahnung geselle ich mich zu dem Grüppchen.
«Da haben Sie sich ja einiges vorgenommen», sage ich, um das Eis zu brechen, indem ich auf proletarischer Kumpel mache.
Immerhin einer der vier reagiert. «Ach was. Wir wären schon längst fertig, wenn nicht hier diese …» Er sucht nach einem geeigneten Wort.
«Scheiße?», fragt ein Kollege fast beiläufig.
Sein Vorredner nickt. «Genau, wenn nicht hier diese Scheiße passiert wäre.» Dabei deutet er mit dem Kopf in Richtung des Häckslers. Mein Zeichen, etwas näher zu kommen.
Fred zieht an der Leine, ihm ist das alles nicht geheuer.
«Was ist denn passiert?», frage ich möglichst unschuldig.
«Irgendein …», er überlegt abermals, findet aber diesmal selbst das richtige Wort, «… Idiot hat hier so ’n Ding im Gestrüpp liegenlassen.»
Ich bin jetzt nah genug, um Freds ehemaligen Maulkorb zu sehen, der das Messerwerk des Häckslers in einen Haufen Schrott verwandelt hat und nun so hoffnungslos eingeklemmt ist, dass man ihn auch mit Hammer und Brechstange nicht wieder herausbekommt.
«Oh, sicher teuer, so ’ne Maschine, oder?», frage ich wieder möglichst beiläufig. Keine gute Idee, denn einer der Männer sieht erst mich an, dann Fred, dann wieder mich.
Ein anderer nickt und sagt: «Die Reparatur geht sicher in die Tausende.»
Der Argwöhnische blickt wieder auf die Maschine, offenbar hält er den Gedanken, dass ich etwas mit dem Ding im Zerhäcksler zu tun haben könnte, dann für doch zu abwegig.
Ich beschließe, seine letzten Zweifel zu zerstreuen. «Was ist das denn überhaupt für ein … Ding?», frage ich und recke interessiert den Kopf vor.
«Vielleicht ’n Maulkorb?», erwidert der Argwöhnische.
«Ja, könnte sein»,
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