Man tut, was man kann (German Edition)
nach, «aber für ein Unternehmen unserer Größenordnung hätte es immense monetäre Vorteile, eine eigene Firma für den Vertrieb von Werbeartikeln zu besitzen.» Diesen Plan hat Burger mir und allen Vorstandskollegen schon so an die hunderttausend Mal unterbreitet. Ich vermute, er hat sich ursprünglich auf dem asiatischen Markt nach einer Frau umsehen wollen, die ihn nicht um zwei Haupteslängen überragt, ist aber nicht fündig geworden und hat dann behauptet, er wäre nur der Werbegeschenke wegen in Fernost gewesen. Ich habe den Spaß an den Ohren verloren und werfe sie auf den Schreibtisch, was Burger wohl als abschlägige Reaktion wertet.
«Denken Sie doch bitte darüber nach. Ich möchte dem Vorstand heute den Plan nochmal unterbreiten», sagt er fast flehentlich.
Ich schaue auf die Ohren, dann auf den kurzsichtigen Otter vor meinem Schreibtisch, nicke schließlich. «Gut. Werde ich tun, Herr Dr. Burger.»
Als Burger verschwunden ist, lässt Frau Hoffmann mich wissen, dass Engelkes erst am frühen Nachmittag für einen Termin zur Verfügung steht. Wundert mich ein wenig, denn Engelkes gehört zu meinen Untergebenen, ein junger Kerl, unterwegs in Sachen Human Resources. Dass er mir neuerdings Termine diktiert, muss ich ihm abgewöhnen, kann ich aber später noch machen. Momentan kommt mir die Situation nicht ungelegen, denn damit habe ich jetzt Zeit für meinen Hund.
Fred ist so schlecht drauf wie immer. Verkorkste Kindheit. Wenn man den Gerüchten im Tierheim Glauben schenken darf, dann hat Fred Sachen mitgemacht, die selbst in der Hundehölle nur an hohen Feiertagen auf dem Plan stehen. Angeblich hat er bei Junkies gehaust, die ihn gequält und vernachlässigt haben. Er beißt, wenn man ihn anfassen will, weil er mit brennenden Zigaretten und Glassplittern traktiert wurde. Er beißt auch, wenn man den Zwinger verlassen will, weil er tagelang allein gelassen wurde und dann kein Fressen bekam. Deshalb schlingt er auch sein Futter oder die sündhaft teuren Hundesnacks, die ich ihm manchmal mitbringe, herunter, ohne zu kauen.
Inzwischen hat Fred verstanden, dass es keinen Sinn hat, mich zu zerfleischen, wenn ich ihm sein Brustgeschirr anlegen will, denn dann fällt der Spaziergang aus, weil ich mich, wie in unseren Anfangstagen häufiger geschehen, in ärztliche Behandlung begeben muss. Also lässt er die Vorbereitungen für den Spaziergang mittlerweile knurrend über sich ergehen.
Fred wäre gerne ein reinrassiger Jagdhund, weshalb seine Lieblingsbeschäftigung ist, links und rechts des Weges wild schnüffelnd nach Beute Ausschau zu halten. Ich habe deshalb eine lange Leine gekauft, damit er so viel Bewegungsfreiheit hat, dass er die Bären und Luchse, die sich seiner Meinung nach in den gepflegten Anlagen des Stadtparks versteckt halten, professionell aufscheuchen kann. Tatsächlich ist Fred als Jagdhund unbegabt. Ich bilde mir ein, Hasen im Stadtpark gesehen zu haben, die hinter seinem Rücken Faxen machten, derweil er nicht in der Lage war, ihre Witterung aufzunehmen.
Als Günther mich zu einer Karriere als ehrenamtlicher Hundeausführer überredete, war eines seiner Argumente, dass ich Dutzenden alleinstehenden Hundebesitzerinnen begegnen würde, allesamt auf der Suche nach einem ehrlichen Mann mit Hund. Günther meinte, allein die Fähigkeit, ein paar vernünftige Sätze übers Wetter zu formulieren, würde mir viele erotische Abenteuer bescheren, zumal es keinen besseren Anlass für ein Gespräch gäbe als die gemeinsame Liebe zu Hunden.
Das hat sich nicht bewahrheitet. Da Fred andere Hunde hasst wie die Pest und grundsätzlich auf alles losgeht, was nach Artgenosse aussieht, sind die Reaktionen alleinstehender Hundebesitzerinnen eher gemischt.
Meistens ernte ich tadelnde Blicke, weil man natürlich mich für Freds rüpelhaftes Benehmen verantwortlich macht, augenscheinlich bin ich einer jener bedauernswerten Hundebesitzer, die ihren Liebling nicht im Griff haben. Das kommt mir aber ganz gelegen, denn so kann ich mich nach Belieben aus dem Staub machen. Interessiert mich eine alleinstehende Hundebesitzerin, kläre ich das Missverständnis einfach rasch auf und erzähle in groben Zügen Freds Leidensgeschichte. Das tue ich aber mit äußerster Vorsicht, weil ich bei dieser Gelegenheit an Ulrike und ihren Labrador Timmi geraten bin. Ich hatte kaum angefangen mit Freds Biographie, da schossen Ulrike die Tränen in die Augen, und sie sah abwechselnd Fred und mich an, als überlegte sie, wie sie
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