Man tut, was man kann (German Edition)
zu behalten.
Eigentlich mag ich ihre höfliche Verweigerungshaltung allem Modernen gegenüber sogar. Sollte sie irgendwann das Zeitliche segnen, werde ich ihr einen Grabstein in Form eines Bakelittelefons spendieren, auf dem steht: «Hier ruht Frau Hoffmann, sie lebte von 1959 bis 1962, war dann aber noch rund siebzig Jahre auf der Welt.»
«Herr Dr. Burger wäre dann da», sagt Frau Hoffmann.
«Dann rein mit ihm», antworte ich und sehe ihre Missbilligung. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn ich gesagt hätte: Ich lasse bitten.
Dr. Burger ist unser Marketingvorstand, ein sehr kleiner Mann mit einer sehr großen Brille, der mich immer an einen vorwitzig auf den Hinterbeinen stehenden, kurzsichtigen Otter erinnert.
Burger nimmt Platz, Frau Hoffmann zieht sich dezent zurück.
«Halten Sie mich eigentlich für einen leidenschaftlichen Menschen?», fragt er ohne jegliche Vorwarnung.
Ich kann ein Lachen nicht unterdrücken, kaschiere es aber ziemlich perfekt mit einem vorgetäuschten Hustenanfall.
«Erkältet?», fragt er besorgt.
Ich winke ab, zeige auf den Tee, deute an, mich verschluckt zu haben.
«Pardon. Wie war die Frage?»
Ich möchte sie zu gern nochmal hören.
«Halten Sie mich für einen leidenschaftlichen Menschen?», fragt Dr. Burger mit unvermindertem Ernst.
Nun, Dr. Burger, ich habe bislang immer gedacht, dass Sie abends Bücher über Aquaristik lesen oder Ihre Unterhosen bügeln, aber jetzt, wo Sie es sagen, könnte ich mir auch vorstellen, dass Sie sich regelrecht ans Leben verschwenden. Womöglich verzichten Sie sogar wissentlich auf ein Ersatzbrillenputztuch, Sie wilder Kerl.
Ich bringe es nicht über mich, die Frage zu bejahen, deshalb rette ich mich ins Ungewisse. «Worauf wollen Sie hinaus?»
Er wirft eine Art Haarreif, an dem zwei Hasenohren aus Kunstfell befestigt sind, auf meinen Schreibtisch. Sieht aus wie das, was Playmates immer bei Partys und rund um die Uhr in der Villa von Hugh Heffner tragen.
Ich überlege. Keine Ahnung, was er vorhat, aber wenn es mir gelingt, Dr. Burger dazu zu bringen, die Hasenohren aufzusetzen, dann hatte es einen Sinn, heute auf der Welt zu sein. Ich versuche es mit der denkbar blödesten Masche. «Was, bitte schön, ist das denn?»
Dr. Burger sieht mich erstaunt an. «Sie kennen das nicht?» Er nimmt den Haarreif, streift ihn sich über seine Halbglatze. Er sieht jetzt aus wie ein kurzsichtiger Otter, der gerne im Moulin Rouge auftreten würde.
Das war ja lächerlich einfach.
«Interessant», sage ich und plane meinen nächsten Hustenanfall.
Die Tür öffnet sich, Frau Hoffmann erscheint. «Kann ich Ihnen vielleicht etwas …», sie sieht Dr. Burger mit den Hasenohren, ist für einen winzigen Moment irritiert, schafft es aber, ihre Fassung zu bewahren, «… zu trinken anbieten?»
Nur frisches Wasser und ein wenig Heu, liegt mir auf der Zunge, aber ich frage: «Kaffee?», und Dr. Burger nickt, dass seine Hasenohren wackeln.
«Und für mich noch einen Tee, bitte», ergänze ich.
Frau Hoffmann zieht sich distinguiert zurück.
«Das ist toll», sage ich zu Dr. Burger, «haben Sie so was auch noch für mich?»
Er schüttelt den Kopf, zieht die Hasenohren von selbigem und reicht sie mir. «Nein, aber probieren Sie einfach die hier.»
Ich nehme die Ohren und setze sie mir auf. Es geht mir ausschließlich darum, Frau Hoffmanns Gesicht zu sehen, wenn sie uns die Getränke bringt und dabei erdulden muss, wie zwei Führungspersönlichkeiten in ein ernsthaftes Gespräch vertieft sind und dabei abwechselnd Hasenohren tragen.
«Die sind auf dem deutschem Markt nicht unter zwei Euro zu haben», erklärt Burger und nimmt keinen Anstoß daran, dass ich absichtlich nicke, damit die Ohren wippen.
«Ich kann sie auf dem chinesischen Markt für unter einem Euro besorgen.» Wieder nicke ich heftig. Wann kommt denn endlich Frau Hoffmann?
«Wissen Sie, wie viele davon jährlich in Deutschland verkauft werden?» Er macht eine Kunstpause, ich schüttle den Kopf und lasse die Ohren zittern. «Mehr als zwei Millionen.»
Endlich kommt Frau Hoffmann, bringt die Getränke und versucht demonstrativ, mich dabei keines Blickes zu würdigen. Könnte ihr so passen.
«Frau Hoffmann?», sage ich und recke meine Hasenohren. «Sagen Sie doch bitte Herrn Engelkes, dass wir den Termin ein wenig verschieben müssen, ich bin hier noch beschäftigt.»
Sie nickt verächtlich und geht.
«Ich weiß, ich sage das nicht zum ersten Mal», hakt Dr. Burger
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