Man tut, was man kann (German Edition)
machen wird. Womöglich ist er gar der zukünftige Vorstandsvorsitzende.
Frau Hoffmann wartet geduldig.
«Geben Sie ihm den erstmöglichen Termin morgen früh», entscheide ich und packe weiter zusammen.
«Aber …», Frau Hoffmann will widersprechen, ich hebe abwehrend eine Hand, und sie verstummt.
«Morgen früh», wiederhole ich nachdrücklich, und Frau Hoffmann nickt.
Als sie das Büro verlässt, merke ich, dass es mir spontan bessergeht.
Einer der größten Vorteile, wenn man älter als vierzig ist, besteht darin, nicht mehr andauernd klug sein zu müssen.
WIR MÜSSEN REDEN
Ich habe gerade zum dritten Mal mit Kathrin geschlafen. Wie es dazu kam, kann ich nicht genau sagen. Ich vermute aber, was in meinem Kopf vorging, wird mühsamer zu rekonstruieren sein als das Kennedy-Attentat.
Männer wie Frauen haben einen prähistorischen Blackout-Schalter, wenn es um bestimmte Situationen geht. Deshalb sind langjährige Paare oft uneins über Details ihres Kennenlernens oder des ersten Rendezvous. Beide Geschlechter erleben ein und dieselbe Situation nämlich unterschiedlich und beurteilen sie später auch demgemäß. Fragt man Männer nach dem Inhalt des Films «Titanic», dann vergessen die meisten, die darin vorkommende Liebesgeschichte zu erwähnen. Frauen hingegen kennen alle Details dieser Liebesgeschichte, können sich aber oft nicht mehr daran erinnern, dass das Schiff am Ende untergeht.
Es war schon spät, als ich Kathrin anrief und ihr erklärte, warum ich mich erst jetzt meldete. Ich glaube, ich brachte es auf den famosen Satz: «Ich hab’s nicht früher geschafft.»
Jedenfalls war sie erfreut, plauderte und sagte irgendwann nach irgendeiner banalen Gesprächspause ernsthaft und unaufgeregt: «Ich würde jetzt übrigens sehr gerne sofort mit dir vögeln.»
Kathrin, ich würde jetzt auch gerne sofort mit dir vögeln, bin mir aber nicht sicher, ob wir uns da nicht in etwas hineinsteigern. Womöglich haben wir beide unterschiedliche Vorstellungen davon, was aus uns werden könnte. Und während die Beantwortung dieser Frage bei mir in dem Wort «nichts» Platz findet, hast du vielleicht andere, womöglich opulentere Pläne mit uns. Was ich sagen will, ist, wir sollten uns wie erwachsene Menschen verhalten und uns keinen Hoffnungen hingeben, die nachher bitter enttäuscht werden könnten …
Das und eine Menge mehr muss ich wohl gedacht haben, stand aber trotzdem einen prähistorischen Blackout und ein paar Minuten später vor Kathrins Tür. Sie empfing mich in einem hauchdünnen dunkelblauen Seidenpyjama, der ihre hübsche Figur perfekt zur Geltung brachte. Ich konnte mir bildhaft vorstellen, wie sich ihre Brüste sanft unter dem hauchdünnen Stoff heben und senken würden, wenn sie ging, kam aber nicht dazu, sie beim Gehen zu betrachten, denn kaum hatte ich die Wohnung betreten, da ließ Kathrin ihr Pyjamaoberteil zu Boden gleiten, derweil sie mich an sich zog und entschlossen Richtung Schlafzimmer dirigierte. Ich weiß nicht genau, wie sie es schaffte, mich auf dem Weg dorthin vollständig zu entkleiden, aber es schien mir, als hätte sie eine genaue Vorstellung von dem, was jetzt kommen würde, und so ließ ich sie gewähren.
Sie schläft jetzt. Sie liegt neben mir, und ihr Atem geht leise und gleichmäßig. Ich drehe mich zur Seite, stütze mich auf den Ellbogen und betrachte sie. Sie hat einen schönen Mund, ein sanftes und doch kräftiges Rot. Ihr dunkles Haar umrahmt den zierlichen Kopf und lässt ihn noch ein wenig zerbrechlicher aussehen. Ihre Haut ist fast makellos, oberhalb der rechten Schläfe hat sie einen winzigen Leberfleck, den man aber nur sehen kann, wenn ihr Pony wie jetzt zufällig ein wenig nach links gerutscht ist.
Ich drehe mich wieder auf den Rücken.
Habe ich da gerade ein bisschen für Kathrin geschwärmt?
Ja, ein bisschen, vielleicht. Ich kann das aber rasch nivellieren, indem ich mir vergegenwärtige, dass sich in diesem Schlafzimmer kein Fernseher befindet und in der gesamten Wohnung kein einziges Buch. Im Kühlschrank liegen nur frisches Obst und Gemüse und eine Flasche halbtrockener Sekt. Die Einrichtung stammt von irgendeinem gesichtslosen Möbeldiscounter, und im Wohnzimmer hängt eine Pinnwand mit Fotos von Mallorca, Fotos diverser Urlaube, die aber auf erschreckende Weise alle gleich aussehen.
Tut mir leid, Kathrin, wirklich, aber ich befürchte, ich will deshalb nicht bei dir bleiben, weil ich mir einfach zu genau vorstellen kann, wie unser Leben aussähe,
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