Man tut, was man kann (German Edition)
werde ich danach jedes Mal auf diesem Anklagesitzsack Platz nehmen und mir dein unerträgliches Geschwätz anhören.
«Einverstanden», log ich scheinbar geläutert und nickte zur Bestätigung.
«Fein», freute sich Tommi, «dann wollen wir mal sehen, wo Sophie bleibt.»
Sophie wollte nicht ins Kino und nicht ins Theater, sie wollte nur «Sushi essen und ein bisschen quatschen». Passte mir sehr gut in den Kram.
Ich hätte eigentlich darauf kommen müssen, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, als sie einen Sushi-Mix bestellte. Normalerweise nimmt Sophie sich viel Zeit dafür, eine perfekte Sushi-Auswahl zu komponieren, selbstredend unter Berücksichtigung der Nahrungsmittelrichtlinien, die Tommi aufgestellt hat. Da sie, wenn sie mit mir unterwegs ist, essen darf, was sie will, übertritt sie zwar meistens Tommis Ernährungsgesetze, allerdings mit dem Kalkül eines Radrennprofis, der sich den Dopinggrenzwerten nur sehr vorsichtig nähert.
Heute also ein Sushi-Mix. Ich bestellte das Gleiche, dazu einen Alibi-Tee und ein Glas Wein. Während wir unsere Happen kauten, versuchte ich es mit den üblichen Themen: Schule, Musik, Mode, aber ein Gespräch wollte nicht so recht in Gang kommen. Sie saß da, aß, strich sich ihre blonden Strähnen abwechselnd hinter das linke und das rechte Ohr und antwortete einsilbig. Vielleicht war sie heute einfach müde oder maulfaul, dachte ich und beschloss, dass wir eine Weile schweigen würden, zumal auch das eine gute Erfahrung zwischen zwei Menschen sein kann, die sich mögen, schweigen können nämlich.
«Wie … ist eigentlich … Sex?», fragte sie plötzlich aus heiterem Himmel.
Ich weiß nicht, ob es dieses grüne Wasabi-Zeug war, jedenfalls brach mir spontan der Schweiß aus.
«Gut», erwiderte ich kleinlaut, wollte eigentlich nur Zeit gewinnen und merkte, dass man mit einem aus drei Buchstaben bestehenden Wort nicht sehr viel Zeit gewinnen kann.
Sie sah mich an, fragend.
Gut? War das alles, was ich ihr zu sagen hatte?
«Du willst nicht drüber reden, oder?»
«Doch, doch», log ich, «ich frage mich nur gerade, warum du nicht mit Lisa oder Tommi darüber sprichst.»
«Tu ich ja vielleicht, aber jetzt hab ich dich gefragt», erwiderte sie, und ich musste anerkennen, da war was dran. Sie wollte wissen, wie Sex war, und sie wollte es von mir wissen. Wo also war das verdammte Problem?
Zwar sah ich mich schon an den Sitzsack gekettet, um von Tommi die zuvor verhängten einhundertfünfzig Peitschenhiebe für dieses Gespräch zu empfangen, aber das schien mir nichtig im Vergleich dazu, jetzt mein Maul zu halten. Ich legte also die Serviette beiseite, schob den Teller etwas von mir weg und lehnte mich zurück.
Sie beobachtete mich verstohlen, hörte dann auf zu essen und sah mich mit ihren großen blassblauen Augen an.
«Tja, wie ist eigentlich Sex. Gute Frage. Mal toll, mal weniger toll», begann ich einigermaßen eloquent, «und das ist nicht zwangsläufig davon abhängig, ob man den Menschen sehr mag, mit dem man Sex hat. Meistens ist der Sex besser, wenn man sich liebt, aber man kann auch guten Sex haben mit jemandem, den man nicht so gut kennt.»
Was redete ich da eigentlich? Hatte ich noch alle Tassen im Schrank?
«Das heißt, man muss sich nicht lieben, um Sex zu haben?», fragte sie.
Genau diese Problematik wollte ich gerade elegant umschiffen, liebe Sophie, aber jetzt sind wir leider schon mittendrin. «Ich glaube, wenn zwei Menschen sich lieben, dann ist der Sex zwischen ihnen … intensiver. Aber manchmal fühlt man sich auch zu jemandem einfach nur körperlich hingezogen und hat Lust, Sex mit ihm zu haben, obwohl man ihn vielleicht niemals lieben wird. Oder man liebt jemanden, und der Sex mit ihm ist nicht so toll. Oder man hat Sex mit ihm und verliebt sich erst dann. Es ist alles ein bisschen kompliziert, weißt du?»
«Ja, das merke ich gerade», sagte Sophie gedehnt.
Auch wenn dieses Gespräch vermutlich mein Freifahrtticket in die Hölle war, steckte ich jetzt zu sehr drin, um sie mit dem wirren Mist, den ich gerade verzapft hatte, alleinzulassen.
«Weißt du, Sex ist nicht so wichtig, wie immer alle sagen. Aber er ist auch nicht ganz unwichtig, weil, er hat schon eine Menge mit einem selbst zu tun.»
«Ja, das verstehe ich.» Sie nickte langsam.
Vielleicht kriegte ich ja doch noch die Kurve. «Man muss ja auch nicht sofort automatisch mit jemandem schlafen. Man kann sich an den Sex auch ganz gut rantasten. Hast du schon mal jemanden
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