Man tut, was man kann (German Edition)
doch eigentlich kein Problem», sage ich leichthin. «Da Katja Schluss gemacht hat, muss deine Frau nicht die Scheidung einreichen. Tut sie es dennoch, ist deine Ehe im Arsch, und du kannst mit Katja ein neues Leben anfangen.» Ich streiche mir Gorgonzola auf ein Stückchen Baguette.
«Stimmt», erwidert Schamski. «Ich weiß nur leider nicht, ob ich die eine will oder die andere, oder beide, oder keine.»
Ich nicke bedächtig, schiebe das Brot mit Gorgonzola in den Mund und spüle mit einem Schluck Rotwein nach. «Dann weiß ich es auch nicht», sage ich knapp, zumal ich etwas müde bin.
«Na toll», mault Schamski, und ich zucke zur Bestätigung hilflos mit den Schultern.
Ein kurzes Schweigen.
«Zu welcher der beiden Frauen würdest du denn fahren, wenn du nur noch eine Stunde zu leben hättest?», fragt Bronko und versucht äußerst konzentriert, ein Stück Käse auf seinem Baguette zu positionieren.
Wir drehen beide unsere Köpfe zu ihm, er registriert es und ist leicht verunsichert. «Entschuldigung, ich wollte mich wirklich nicht einmischen.»
«Nein, nein», sage ich und wende mich zu Schamski. «Gute Frage, zu welcher der beiden Frauen würdest du eigentlich fahren, wenn du nur noch eine Stunde zu leben hättest?»
Schamski wirkt ratlos. Dann beginnt er zu grübeln. Gießt sich Wein nach, grübelt weiter. «Ja, gute Frage», murmelt er. «Sehr gute Frage. Was würde ich eigentlich tun, wenn ich nur noch eine Stunde zu leben hätte?»
Mein Handy klingelt.
Es ist nach zwei. Anonymer Anrufer nach zwei. Mein Adrenalinspiegel steigt. Womöglich ein Krankenhaus, das mir mitteilen will, dass meine beiden Eltern mit Herzinfarkt eingeliefert worden sind. Oder die Feuerwehr, die gerade verzweifelt den Verlag zu löschen versucht. Oder ist was mit Sophie passiert? Oder mit Lisa?
«Schuberth?» Ich verdrücke mich mit dem Telefon ins Wohnzimmer.
«Paul?», fragt eine Frauenstimme.
«Ja?»
«Hier ist Biggi. Ich bin eine Freundin von Kathrin.»
Mein Adrenalinspiegel sinkt, gleichzeitig steigt Ärger in mir auf, denn die Frau am Ende der Leitung ist offensichtlich sturzhageldicht.
«Es ist spät», sage ich indigniert.
«Ich weiß», lallt Biggi. «Ich wollte auch nur mal fragen, ob wir uns treffen können. Kathrin findet das eine gute Idee.»
Was soll das? Will Kathrin mich mit Biggi verkuppeln? Ist Biggi ein Lockvogel der Anonymen Alkoholiker? Hat sie das Pan Tao übernommen und betreibt jetzt Kundenakquise um zwei Uhr morgens?
«Aha», sage ich tonlos.
«Ja», erwidert sie gedehnt.
«Vielleicht sollten wir morgen telefonieren, denn momentan bin ich nüchtern und Sie ein wenig betrunken», versuche ich die Situation zu retten.
«Ja», erwidert sie gedehnt.
«Ja, wir telefonieren morgen?», versuche ich zu schlussfolgern.
«Ja», erwidert sie gedehnt. «Is’ vielleicht besser.»
Das Gespräch wird beendet.
Als ich in die Küche zurückkehre, höre ich Schamski gerade fragen: «Sag mal, hast du eigentlich irgend so ’n … Augenproblem?»
Bronko nickt, gießt sich noch etwas Wein nach und nippt. «Wie bist du nur darauf gekommen, Guido?»
Am nächsten Morgen hat Bronko Tee und Kaffee vorbereitet und ist bester Laune. Ich glaube, er hat seit geraumer Zeit kein passables Nachtlager gehabt, vermutlich hat sein Freund schon länger Eheprobleme.
Als Bronko mir einen perfekten Earl Grey in die Hand drückt und dabei die Küche wie ein Terminator scannt, höre ich mich sagen: «Du kannst eine Weile hier wohnen, wenn du möchtest.» Eigentlich hatte ich nur mit dem Gedanken gespielt, ihm das anzubieten, aber nun habe ich es einfach getan. Erneut sehe ich sein Zielauge auf mein Gesicht zoomen.
Ich nicke. «Meine ich so, wie ich es sage. Ist kein Problem.»
Ein kurzes Schweigen.
«Ich könnte mit dem Preis fürs Fahren runtergehen.»
Ich schüttle den Kopf. «Ist schon okay.»
Schamski erscheint. Er sieht aus, als müsste er in einem Remake des Films «Die Körperfresser kommen» seine eigene Kopie spielen.
«Alles in Ordnung?», frage ich, derweil Bronko Schamski einen Espresso in die Hand drückt.
«Ich hab nachgedacht über diese Sache mit der Stunde, die man noch zu leben hat, und was man dann macht», sagt Schamski, kippt seinen Espresso, stellt die Tasse unter die Maschine und drückt erneut den Knopf.
«Und?»
«Keine Ahnung», sagt Schamski. «Vielleicht ist es irgendwann einfach mal an der Zeit, sich zu entscheiden.»
Zeit! Das ist mein Stichwort. Wir stehen hier alle ganz
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