Man tut, was man kann (German Edition)
erfährt.
«Ich wollte übrigens noch mit euch sprechen», beginnt Sophie, und ich lehne mich entspannt zurück. Ihr Tonfall ist ernst, weshalb nun auch Lisa und Tommi erwartungsvoll Sophie ansehen.
«Es ist so.» Sie ringt mit sich, sucht nach Worten.
Immer raus mit der Sprache, Sophie, es sind schon andere Leute ins Ausland gegangen, da ist überhaupt nichts dabei.
«Ich bin lesbisch …»
Ich merke, dass mir gerade der große Brocken Parmesan im Hals stecken zu bleiben droht, und greife rasch zum Weinglas, trinke und fürchte nun, mich zu verschlucken.
«Jenny und ich, wir sind ein Paar …»
Lisa und Tommi sitzen auf ihren Stühlen wie zwei Leute, die gerade erfahren, dass ein Tsunami ihr Haus in weniger als zehn Minuten ausradieren wird.
«Wir lieben uns. Und wir möchten gerne zusammenleben …»
Sophie spricht ruhig und klar. Lisa hüstelt, sieht mich an. Ich bilde mir ein, in ihrem Gesicht die Frage zu lesen, ob ich irgendwas mit dieser Sache zu tun habe. Im Moment kann ich leider keinen überzeugenden unbeteiligten Eindruck machen, weil ich mich an ein bestimmtes Gespräch mit Sophie erinnere. Innerlich stelle ich mir aber schon die Frage, was ich den Göttern wohl anbieten muss, um nichts mit dieser Sache zu tun zu haben.
«Wir würden gerne in Detroit leben. Zunächst nur für ein Jahr. Ich könnte dort die Schule besuchen. Jennifers Eltern sind Musiker und …»
«Kommt überhaupt nicht in Frage», sagt Tommi, und jetzt fällt mir auf, dass er überhaupt kein Blut mehr im Gesicht hat. Man könnte ihn neben den Hüttenkäse von der Vorspeise legen und würde farblich nicht den geringsten Unterschied feststellen.
Lisa schaut fassungslos zwischen Tommi und Sophie hin und her. Der kommen gerade die Tränen, während Jenny betreten zu Boden sieht.
«Warum lässt du mich nie ausreden!», mault Sophie, und nun laufen die Tränen.
«Sophie, Schatz …», beginnt Lisa und versucht sich zu sammeln. «Du musst doch verstehen, dass das keine einfache Situation für uns ist.»
«Aber er kann mich doch wenigstens ausreden lassen», heult Sophie.
«Kommt nicht in Frage, dabei bleibt es», konstatiert Tommi, und seine Unterlippe bebt ein wenig.
Sophie schnieft, Jenny legt ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Lisa betrachtet die Geste mit leichter Irritation, sieht dann zu mir, zu Tommi, sucht nach einem passenden Weg, das Gespräch in geordnete Bahnen zu führen. «Warum hast du denn nicht vorher mit uns gesprochen?», fragt sie mit leiser Verzweiflung in der Stimme.
Sophie zieht ein Taschentuch hervor, schnäuzt sich. «Was wäre denn dann anders gewesen?»
Da hat sie recht, finde ich und denke angestrengt darüber nach, wie ich zu der Sache stehe. Ich ahne, dass es gleich an mir sein wird, auch mal was zu sagen, Sophie hat mich schließlich nicht umsonst zu diesem Essen gebeten. In genau dem Moment sieht sie mich erwartungsvoll an.
«Wie lange seid ihr schon ein Paar?», frage ich und versuche, möglichst locker zu klingen. Aus den Augenwinkeln sehe ich Lisas Gesicht. Sophie scheint sich ein wenig zu beruhigen.
«Fast sechs Monate.»
Ich nicke. «Das heißt, diese ganze Sache mit kein Sex vor der Ehe …»
«Das hab ich nur gesagt, um hier meine Ruhe zu haben», antwortet Sophie und sieht kurz zu Tommi.
«Und als du mich gefragt hast, was ich davon halte …?» Ich unterbreche mich selbst, weil ich nicht auch noch eine Diskussion über falsche Ratschläge meinerseits vom Zaun brechen möchte.
Sophie versteht, sieht mich an, ein bittender Blick. «Ich hab dich ein bisschen ausgetrickst, das stimmt, aber ich wollte wissen, was du ehrlich denkst. Bist du sauer?»
Ich schüttle den Kopf, lasse Sophie ein aufmunterndes Lächeln zukommen und werfe Lisa einen Blick zu, der ihr bedeuten soll, dass diese Angelegenheit wohl nicht mit einem Machtwort zu klären ist. Sie versteht.
«Vielleicht sollten wir die Sache ganz in Ruhe besprechen.» Lisa sieht zu Tommi, während sie das sagt, doch der macht keine Anstalten, einzulenken. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und wirkt entschlossen, seine Stieftochter zur Not mit drakonischen Maßnahmen von einem Leben als Hippie-Lesbe in Detroit abzuhalten.
«Ich finde, Lisa hat recht», sage ich zu Tommi, der mir jetzt einen hasserfüllten Blick zuwirft.
«Wahrscheinlich hast du Sophie diese Flausen überhaupt erst in den Kopf gesetzt. Außerdem denke ich, das hier ist ’ne Familienangelegenheit. Warum mischst gerade du dich also ein?»,
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