Man tut, was man kann (German Edition)
Zahn fühlen. Wenn Sie mir also binnen zwei Monaten Ihre Entscheidung mitteilen, dann reicht das.»
Ich nicke. «Gut.»
Görges kippt ebenfalls seinen Drink in einem Zug. «Was ist? Noch einen letzten?», fragt er.
«Gerne», antworte ich und ergänze nach einer kurzen Pause: «Und danke für Ihr Vertrauen.»
Görges lächelt. «Mein Vertrauen spielt keine Rolle. Sie müssten die Eigentümer überzeugen.» Er grinst nun breit. «Und das ist wesentlich komplizierter, als eine Lusche wie meinen zukünftigen Schwiegersohn auszuschmieren.»
VIELLEICHT STEHT ER JA DRAUF
Ich weiß nicht, ob ich Görges’ Job machen möchte. Einerseits reizt mich die Aufgabe, andererseits habe ich die Befürchtung, mich in zehn Jahren zu fragen, wo bloß die letzten zehn Jahre geblieben sind. Der Job des Finanzchefs interessiert mich noch weniger, mir fällt aber auch keine gute Alternative zu Görges’ Szenario ein.
Ich habe über ein Sabbatical nachgedacht und damit begonnen, eine Weltreise zu planen, bis mir klar wurde, dass ich mich nach sieben Tagen zu Tode langweilen würde. Ich bin also momentan ratlos. Seit ein paar Wochen hoffe ich auf ein Zeichen des Himmels. Aber der schickt mir stattdessen Freundinnen von Kathrin oder Biggi, oder Freundinnen von Freundinnen der beiden, deren angeschlagene Beziehungen ich durch romantische Abendessen oder amouröse Kurzurlaube wieder ins Lot bringen soll. In den meisten Fällen gelingt das sogar, was mir immerhin beweist, dass einigermaßen glückliche Beziehungen möglich sind, auch wenn das Glück manchmal hart erkauft werden muss. Inmitten von Paaren, deren Glück ich zu stiften helfe, hat mich meines aber offenbar zumindest vorübergehend verlassen. Das Schicksal hält ein Dasein als einsamer Workaholic für mich bereit, mehr aber auch nicht.
Seitdem Fred offiziell mein Hund ist, habe ich Iris nicht wiedergesehen. Er wird in ein paar Tagen einen letzten Check-up bei ihr bekommen, danach werde ich mich wohl für immer von ihr verabschieden, zumal sie in knapp drei Wochen heiraten wird, wie mir eine leutselige Praktikantin gesteckt hat. Um Iris öfter zu sehen, hätte ich Fred ins Heim zurückbringen müssen. Das habe ich dann aber doch nicht übers Herz gebracht, zumal Fred sich weiterhin tadellos verhält. Manchmal denke ich, er ist ein völlig anderer Hund geworden, seitdem er nicht mehr eingesperrt ist. Vielleicht müsste ich Iris anlässlich unseres letzten Treffens doch noch sagen, dass ich ziemlich verschossen in sie bin. Andererseits wird das nichts ändern, denn ich bin derjenige, mit dem sie noch nicht mal ausgegangen ist, während sie mit dem anderen so gut wie verheiratet ist. Meine Chancen sind also gleich null, ich weiß nicht, ob ich mir das unbedingt nochmal von Iris bestätigen lassen muss.
Immerhin haben meine Mitbewohner ihre Krisen weitestgehend überwunden. Nachdem er ein paar Tage Löcher in die Luft gestarrt hatte, zog Günther sich mit seinem Laptop in eine Ecke des Wohnzimmers zurück und begann zu arbeiten. Womit er sich beschäftigt, weiß ich bis heute nicht, denn wenn man ihn anspricht, reagiert er maulfaul. Selbst den Umstand, dass mehrere Mitarbeiter einer Telekommunikationsfirma meinen Internetanschluss derart erweiterten, dass ich nun über eine ähnliche Anlage wie die NASA verfüge, wollte Günther nicht kommentieren. Ich täte ihm wohl den größten Gefallen, wenn ich täglich frische Softdrinks und eine Schüssel Knabberzeug in seine Ecke stellen und ihn alle paar Tage mit einer Elefantenpeitsche unter die Dusche treiben würde.
Auch Schamski ist wieder auf dem Damm. Er hat die Frage, was er tun würde, wenn er nur noch eine Stunde zu leben hätte, zwar immer noch nicht beantwortet, weiß aber inzwischen, was er NICHT tun würde. Er würde nämlich weder zu einer seiner Exfrauen noch zu einer seiner Exgeliebten fahren. Schamski hat daraus messerscharf geschlossen, dass er den Menschen, den er im Fall der Fälle aufsuchen würde, wohl noch nicht gefunden hat. Deshalb widmet er sich nun der Aufgabe, diesen Menschen zu finden.
Bronko, animiert von Schamskis philosophischen Thesen, entschloss sich zu dem gewagten Vorhaben, seine große Liebe zurückzuerobern. Dabei wussten wir nicht einmal, dass Bronko eine große Liebe hatte. Claudia, die Frau, um die es ging, hatte ihn vor knapp sechs Jahren verlassen, was Bronko bis zum heutigen Tag nicht verschmerzt hat. Bronko kann jedenfalls die Frage, wohin er führe, wenn er nur noch eine Stunde zu leben
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